Julia Extra Band 366
klar denken.
„Gehen wir die heutigen Termine durch“, sagte er zu Hannah gewandt. Sie saß zu seiner Linken und schien sich einigermaßen gefasst zu haben. „Welche Gäste werden als Erstes eintreffen?“
Er erwartete, dass Hannah nach ihrer Tasche oder nach dem Handy griff. Stattdessen sah sie ihn verwirrt an. „Ich … habe keine Ahnung.“
Zuerst dachte er, sie würde einen Witz machen, obwohl das gar nicht ihrer Art entsprach. Doch nach einem Moment unangenehmer Stille erkannte er, dass sie es ernst meinte.
Er runzelte die Stirn. „Aber das ist schließlich Ihre Aufgabe.“
Ihr Atem ging schneller. „Ich muss meinen Kalender verloren haben.“
„Ihr Kalender ist doch auf Ihrem Laptop. Wo ist er?“
Nervös zuckte sie die Schultern. „Ich weiß es nicht.“
Er schwankte zwischen Unmut und Unverständnis. Was war nur mit seiner Sekretärin los? Er drehte sich irritiert zum Fenster.
„Sie haben Ihren Computer verloren?“, fragte er, den Blick auf die Sanddünen geheftet.
„Ja. Ich muss ihn irgendwo liegen gelassen haben, als es mir nicht gut ging.“
„Wie bitte?“
Abrupt wandte er sich zu ihr um und nahm die Verlorenheit in ihrem Blick wahr.
„Es muss in Palm Beach passiert sein, gleich nach dem Turnier.“
„Warum haben Sie es nicht schon früher gesagt?“
„Das hätte ich wohl. Es tut mir leid.“
Sie sah so verzweifelt aus, dass er sich jeden weiteren Kommentar verkniff. Jemand hatte ihr gerade das Herz gebrochen. Da konnte er zumindest für einen Tag Geduld mit ihr haben.
„Sie haben ja bestimmt eine Sicherungskopie auf Ihrem PC. Sobald wir im Palast sind, gehen Sie in Ihr Büro, drucken den Kalender aus und bringen mich auf den neuesten Stand.“
„Danke“, flüsterte sie.
Aufmerksam betrachtete er sie. Ihr Rücken war kerzengerade, ihr Kopf erhoben. Hannah wirkte wie ein völlig anderer Mensch.
Dann fiel ihm der Flug wieder ein. Seine Miene verfinsterte sich. „Sie haben im Schlaf gesprochen.“
Wortlos starrte sie ihn an.
„Auf Französisch“, fuhr er fort. „Und zwar so akzentfrei, dass ich fast gedacht hätte, es sei Ihre Muttersprache.“
„Sie sprechen Französisch?“
„Natürlich, meine Mutter war Französin.“
Daraufhin errötete sie. „Habe ich irgendetwas gesagt, dass mir peinlich sein müsste?“
„Nur, dass Sie in der Klemme sitzen.“ Er wartete, bis sie den Satz verdaut hatte. „Was haben Sie angestellt, Hannah? Wovor haben Sie Angst?“
„Nichts.“ Die Antwort kam zu schnell, als dass er sie ihr abgenommen hätte.
Makin verärgerte das. Wusste sie nicht, dass er sie womöglich besser kannte als jeder andere Mensch? In den letzten Jahren hatten sie so eng zusammengearbeitet, dass er manchmal den Eindruck hatte, ihre Gedanken lesen zu können.
Dennoch war ihre Beziehung rein beruflicher Natur. Aus ihrem Privatleben hatte er sich bislang herausgehalten. Falls sie in der Klemme saß, würde ihr bestimmt ein Ausweg einfallen. Schließlich war sie stark, selbstbewusst und unabhängig.
Nur, dass sie im Moment gar nicht danach aussah.
Ihr Gesicht war kreidebleich und sie schluckte mehrmals, als müsse sie gegen erneute Übelkeit ankämpfen. „Sollen wir anhalten?“, fragte er.
„Ja! Bitte!“
Makin gab dem Fahrer ein Zeichen, der sofort am Straßenrand hielt. Hannah sprang aus dem Auto und stapfte in ihren High Heels durch den Sand.
Er war sich nicht sicher, ob er ihr folgen sollte, aber dann entschied er sich dagegen. Dennoch stieg er aus und stellte sich neben den Wagen, falls sie Hilfe benötigte.
Obwohl es noch früh am Morgen war, brannte die Wüstensonne schon heiß. Ihm gefiel das, dies war seine Heimat. Kasbah Raha war nur noch wenige Kilometer entfernt, und er wollte endlich nach Hause.
Hier verbrachte er jedes Jahr ein paar Monate – für ihn die schönste Zeit.
Wenn er in Raha wohnte, arbeitete er meist bis spät in die Nacht, doch die Arbeit war nun einmal sein Leben.
Darüber hinaus hatte er in Nadir eine Geliebte, die er mehrmals die Woche aufsuchte. Natürlich wusste Hannah über Madeline Bescheid, auch wenn sie sich sonst nicht über ihrer beider Liebesleben austauschten.
Plötzlich klingelte sein Handy, das Geräusch schrillte durch die menschenleere Wüste. Er zog das Telefon aus der Hosentasche, sah, dass es der Sicherheitschef seines Palasts in Nadir war und antwortete auf Arabisch.
Geschockt hörte er, was ihm der Mann zu berichten hatte. Hannah ging es bereits schlecht, die Nachricht würde sie am Boden
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