Julia Extra Band 366
war.
Sie versuchte, nicht in seine Richtung zu schauen, als das Flugzeug sich in Bewegung setzte. Sein Äußeres machte sie unruhig.
Er war so groß, kräftig, muskulös. Während er tippte, spannte er die Arme an, und der kräftige Bizeps zeichnete sich unter dem engen Hemd ab. Selbst seine Hände waren stark, obwohl sich seine Finger mit Leichtigkeit über der Tastatur bewegten.
Wie es wohl wäre, wenn er sie berührte und ihren Körper streichelte, durchfuhr es sie. Wäre die Berührung eher leicht und sanft oder hart und grob?
Solche Dinge hatte sie sich früher nie ausgemalt, aber nach der Nacht mit Alejandro war alles anders geworden. Sie hatte erkennen müssen, dass Sex in Filmen und Büchern immer verklärt wurde.
Sex war weder zärtlich noch lustvoll.
Ihrer Erfahrung nach war es ein seelenloser Akt. Alejandro hatte ihren Körper in Besitz genommen – mehr war es nicht gewesen.
Sie hatte kindische und unreife Erwartungen gehabt. Warum war sie nicht darauf vorbereitet gewesen, dass Alejandro in sie hineinstieß, bis er den Höhepunkt erreichte, und dann aufstand, duschte und verschwand?
Sie hatte gehofft, dass Sex die Leere in ihrem Inneren ausfüllen würde, aber diese war seitdem nur noch unerträglicher geworden.
Als Emmeline an ihren Fehlgriff dachte, zitterte sie vor Scham und zog die Decke bis ans Kinn.
„Sollen wir die Heizung höher stellen?“, fragte Makin.
Langsam öffnete sie die Augen. Er hatte sie beobachtet. „Alles in Ordnung“, sagte sie.
„Wollen Sie eine zweite Decke?“
„Alles in Ordnung“, wiederholte sie.
„Sie zittern ja.“
Emmeline errötete. „Ich denke an unschöne Dinge.“
„Ibanez ist es nicht wert. Er ist ein Lügner und Betrüger. Sie verdienen einen wahren Prinzen.“
Welch’ Ironie in seinen Worten steckte! Hannah verdiente einen wahren Prinzen, während Emmeline nur Hohn und Spott gebührte.
Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter. Zu gern wäre sie die tüchtige Hannah gewesen, die er so bewunderte, und nicht die verzogene Prinzessin, die er so gering schätzte.
Seine Verachtung verletzte sie. Er hatte einen Nerv getroffen, fast so, als hätte er hinter die schöne Fassade geblickt und die wahre Emmeline erkannt. Die Emmeline, die sich so wertlos fühlte.
Ihr Leben lang hatte sie sich gefragt, warum sie sich so unsicher und einsam fühlte. Eine halbe Stunde vor dem großen Ball zu ihrem sechzehnten Geburtstag hatte sie dann erfahren müssen, dass König William und Königin Claire nicht ihre Eltern waren. Ihre Mutter war eine unverheiratete Frau aus Brabant gewesen, der Vater unbekannt.
Völlig verstört war sie auf dem Ball erschienen. Warum König William ihr unbedingt kurz vor der Party die Wahrheit hatte eröffnen müssen, war ihr unbegreiflich. Statt zu tanzen und zu feiern, hatte sie den ganzen Abend lang über ihre wahre Mutter nachgedacht.
Seit der Enthüllung waren neun Jahre vergangen, doch immer noch verwirrte sie der Gedanke. Lag es vielleicht an der Adoption, dass sie solche Angst davor hatte, verlassen zu werden?
„Was wollten Sie eigentlich in der Mynt Lounge bezwecken?“, fragte Makin unvermittelt.
„Er hat gesagt, er liebt mich …“
„Ja, das weiß ich schon“, unterbrach er ungeduldig.
„… und ich dachte, wenn er mich sehen würde, würde ihm wieder einfallen, dass er mir die Ehe versprochen hat“, fuhr sie fort.
„Er hat Sie gebeten, seine Frau zu werden?“, fragte er ungläubig.
Trotzig hob sie das Kinn. „Ja.“
Schweigend sah Makin sie lange an. Dann sagte er: „Alejandro ist bereits verheiratet. Außerdem hat er fünf Kinder.“
„Das kann nicht sein.“
„Habe ich Sie jemals angelogen?“
Sie blieb ihm die Antwort schuldig, und er wandte sich wieder seinem Laptop zu.
Übelkeit stieg erneut in ihr hoch. Alejandro verheiratet? Vater von fünf Kindern? Die Situation wurde immer auswegloser.
3. KAPITEL
Stunden später erwachte Emmeline von dem Geräusch der Landeklappen. Im Halbschlaf spähte sie aus dem Fenster, konnte unter sich aber nichts erkennen außer einem hellen Goldton. Keine Gebäude, keine Lichter, kein Anzeichen von Leben. Sondern nur Sand.
Benommen richtete sie sich auf. In weiter Ferne entdeckte sie einen grünen Fleck. Eine Stadt konnte es nicht sein, auch kein Flughafen, trotzdem befanden sie sich im Sinkflug, als hielten sie geradewegs darauf zu.
Wenige Minuten später berührten sie festen Boden. Die Landung war sanft, dann bremste die Maschine scharf ab. Sie
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