Julia Extra Band 366
meines Aufenthalts beträchtlich vergrößert“, säuselte sie heiser und schenkte Ramon den erotischen Blick, mit dem sie als Model für alles Mögliche geworben hatte, von Shampoo bis Versicherungen. „Und Ramon ist solch ein guter Lehrer.“
Dass er gegen ihre verführerische Stimme nicht immun war, machte Santiago noch wütender als die offene Provokation. Er stellte sein Weinglas so heftig ab, dass es zerbrach.
Bei dem Geräusch sah Lucy zur Seite und bemerkte seinen drohenden Blick. Du kannst es noch, Lucy, dachte sie.
„Das bist du auch, querida .“ Ramon starrte unverwandt auf ihre Brüste. „Ich lerne so viel von dir“, fügte er rau hinzu.
Sie biss sich auf die Lippe, um nicht zu lachen. Er spielte seine Rolle etwas zu überzeugend. Wenn er nicht aufpasste, würde sein Bruder Verdacht schöpfen. Sie bezweifelte, dass Santiago der Sache eine komische Seite abgewinnen würde.
Gab es eine komische Seite? Lucy griff nach ihrem Glas und trank es aus. Wenn die anderen bemerkten, dass ihr Gesicht glühte, konnte sie es dem Alkohol zuschreiben. Herzlose Verführerinnen erröteten nicht.
„Es macht immer Spaß, einen willigen Schüler zu unterrichten.“ Besorgt, dass sie jetzt auch übertrieben hatte, blickte sie verstohlen den Mann neben ihr an. Er saß völlig still da. Still wie ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch. Sie hätte keine Angst zu haben brauchen. Er schien nur allzu gern zu glauben, dass sie ein Flittchen war.
„Haben Sie eine große Familie, Lucy?“, fragte Carmella, die die unterschwelligen Spannung am Tisch offensichtlich nicht bemerkte.
Lucy lächelte. „Riesengroß. Ich habe neun Geschwister. Mein Vater hatte drei Ehefrauen.“ Ihre Mutter war seine letzte gewesen.
„Nicht gleichzeitig, vermutlich“, sagte Santiago.
Durch seinen amüsierten, verächtlichen Ton fühlte Lucy sich beleidigt. Was für ein selbstgefälliger Mistkerl! Plan oder nicht, sie würde nicht hinnehmen, dass er ihre Angehörigen beleidigte. Sie alle hatten sich schützend um sie geschart, als sie sie gebraucht hatte.
Ja, zu seinen Lebzeiten hatten ihr Vater und sie durchaus Meinungsverschiedenheiten gehabt. Sie hatten in dem heftigen Streit gegipfelt, der schließlich dazu geführt hatte, dass Lucy von zu Hause ausgezogen war. Sie hatte nicht den Lebensweg einschlagen, den ihr Vater ihr vorbestimmt hatte.
Fest entschlossen, ihm zu zeigen, dass sie es allein schaffen konnte, begann sie als Model zu arbeiten. Ihre Absicht war es, genug zu verdienen, um ihren Hochschulabschluss zu finanzieren. Dass sie so einen unglaublichen Erfolg haben würde, damit hatte sie nicht gerechnet. Sie hatte die Welt der Designer und Models nie wirklich geliebt, aber sie war froh über die Unabhängigkeit gewesen, die ihr das viele Geld gebracht hatte.
Das tat es noch immer. Mit einem hatte ihr Vater recht gehabt: Sie hatte seinen finanziellen Scharfsinn geerbt. Ihre Kapitalanlagen hatten die globale Rezession überstanden, und sie konnte von den Einkünften gut leben.
Trotz des Streits war ihr Vater wie alle ihre Angehörigen für sie da gewesen, als sie ihn gebraucht hatte. Das allein zählte. Und Lucy wollte nicht zulassen, dass Santiago Silva über ihre Verwandten die Nase rümpfte.
„Teilen Sie die Einstellung Ihres Vaters zur Ehe?“
„Meine Mutter sagt, ich sei ihm sehr ähnlich.“ Lucy zuckte mit den Schultern und fügte ruhig und würdevoll hinzu: „Ich selbst kann das nicht beurteilen, aber ich hoffe sehr, dass ich sowohl ihre als auch die Werte meines Vaters übernommen habe.“
Sah Santiago verblüfft aus? Anscheinend hatte sie es sich eingebildet, denn er reagierte mit diesem boshaften Lächeln, das sie inzwischen so gut kannte.
„Ich bin sicher, sie sind beide stolz auf Sie.“ Zweifellos war Lucy nicht so leicht durchschaubar, wie er gedacht hatte. Es steckte mehr dahinter. Er war überzeugt gewesen, dass er sie mühelos aus Ramons Leben drängen konnte. Weshalb er sich gar keine Mühe gemacht hatte, etwas über den Skandal zu recherchieren – ein schwerer Fehler.
Wenn sie außer Habgier charakterliche Schwächen aufwies, würde er das herausfinden. Aber ihre Gier würde Lucy Fitzgerald zwangsläufig ins Verderben stürzen.
Plötzlich erinnerte Santiago sich an eine Schlagzeile unter einem Foto, das sie zeigte, wie sie wegen des Blitzlichtgewitters eine Hand vor die Augen hielt, während ihr ein Mann in eine Limousine half.
„Ihr Vater ist Patrick Fitzgerald!“
„Das wusstest du nicht?“ Ramon
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