Julia Extra Band 366
beobachtete sie, wie er seine Krawatte löste. Nie hätte sie es für möglich gehalten, dass sie Vergnügen daran finden könnte, einen Mann einfach nur anzuschauen.
„Ich hatte gehofft, dich noch zu sehen“, log sie.
„Ich fühle mich geschmeichelt.“ Santiago schob einen Sessel näher an ihren und setzte sich.
„Weil ich gehofft habe, dass du etwas über Ramon weißt.“ Ihre Blicke begegneten sich, und Lucy hatte den Eindruck, dass Santiago sie durchschaute. Sie fühlte sich schrecklich, weil sie in Wirklichkeit den ganzen Tag noch nicht ein einziges Mal an Ramon gedacht hatte.
„Wieder nur Zweitbester.“ Santiago seufzte. „Du verstehst es, einen Mann in die Schranken zu weisen.“ Die Aussicht, Lucys Liebhaber zu werden, begeisterte ihn. Es war sehr lange her, dass ihn irgendetwas so begeistert hatte. Sie forderte ihn heraus, und nicht allein durch ihre Schönheit. Sie besaß auch Verstand und war schlagfertig. Und sie verschlang ihn mit Blicken, sie bebte vor Lust, wenn sich ihre Hände berührten. Allmählich brachte es ihn fast um, sich zurückzuhalten.
Er konnte sich nicht mehr konzentrieren und rang um Selbstbeherrschung. Plötzlich tauchte ein Bild vor seinem geistigen Auge auf: Lucy, die nackt rittlings auf ihm saß. Santiago blinzelte ein paarmal, um die Vorstellung loszuwerden. Manchmal kam es ihm so vor, als habe er den Verstand verloren!
Obwohl Lucy eindeutig nicht das oberflächliche Flittchen war, als das die Medien sie dargestellt hatten, war sie zweifellos eine Frau mit Vergangenheit. Aber eine Frau, mit der er ins Bett ging, musste keine untadelige Jungfrau sein. Wenn es so eine Frau geben würde, wäre sie sofort tabu. Ganz zu schweigen davon, dass sie ihn zu Tode langweilen würde.
Das Letzte, was Santiago zurzeit suchte, war eine Frau, die auf den „Richtigen“ gewartet hatte. Er wollte für keine „der Richtige“ sein.
„Ich habe ein interessantes Gespräch mit Ramon geführt.“
Lucy verkrampfte sich. Weil sie ein schlechtes Gewissen hatte, nicht weil sie fürchtete, dass Ramon das mit ihrer vorgetäuschten Liebesaffäre gestanden hatte. Dann wäre Santiago wutentbrannt in den Salon gestürmt. „Wie geht es ihm?“
„Er wird am Wochenende aus dem Krankenhaus entlassen.“
Ihre Erleichterung war echt. „Wunderbar!“
„Damit ihr mit der großen Romanze weitermachen könnt.“
„Ich würde es … nicht direkt eine große Romanze nennen“, murmelte Lucy. Sie wich Santiagos Blick aus, trank viel zu schnell einen Schluck Brandy und musste husten.
„Nein? Wie würdest du es nennen?“
„Schwer zu sagen.“
„Versuch es.“
„Ramon und ich haben keine feste Beziehung, okay?“, brauste sie auf.
„Hast du schon einmal eine gehabt?“
„Die Chancen für dauerhafte Beziehungen sind heutzutage nicht gerade günstig, stimmt’s?“
Die Antwort hätte nur einem Mann missfallen, der eine Langzeitbeziehung wollte, und das tat Santiago nicht. „Also suchst du nichts Festes.“ Alles in Ordnung, sagte er sich.
„In einer festen Beziehung muss man Zugeständnisse machen, und darin bin ich nicht gut.“
„Dann glaubst du nicht daran, dass es jemanden gibt, der dich ergänzen wird … einen Seelenverwandten?“
War seine Frau seine Seelenverwandte gewesen? Lucy blickte auf und musterte sein Gesicht. Ihre Augen weiteten sich. „Du weißt es.“
„Was?“
Sie seufzte frustriert.
„Ach so“, sagte er spöttisch. „Du sprichst davon, dass du nicht mit meinem Bruder geschlafen hast.“
Herausfordernd hob Lucy das Kinn. „Noch nicht.“
„Niemals!“
Er handelte ohne jede Vorwarnung und verwirrend schnell. In einer Sekunde zog er sie aus ihrem Sessel hoch und an seinen harten, schlanken Körper.
Gerade als Lucy fragen wollte, was das denn sollte, umfasste Santiago ihr Gesicht. Das wilde Verlangen in seinem Blick ließ sie aufstöhnen.
„Du bist so schön. Ich suche ständig nach einem Makel, aber da ist keiner“, sagte Santiago ungläubig.
Schwach vor Sehnsucht, sah Lucy ihn an. „Was passiert hier mit uns?“, flüsterte sie.
„Ich denke, das weißt du.“ Er schob ihr das Haar zurück und drückte die Lippen an den heftig schlagenden Puls an ihrem Hals.
Fieberhaftes Verlangen durchströmte sie, während Santiago die Lippen höher wandern ließ, sie berührten kaum ihre Haut, doch der zarte Kontakt löste eine Flut von prickelnden erotischen Empfindungen aus.
Santiago liebkoste ihre Wange und ihr Ohrläppchen, bevor er aufsah und mit dem
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