Julia Extra Band 366
aus meinen Fehlern lernen, wenn du mich keine machen lässt? Du hast dir in den Kopf gesetzt, dass die arme Lucy eine femme fatale ist, und ich wollte …“
Er holte tief Luft. Eine Fischvergiftung zu haben hatte durchaus auch gewisse Vorteile, zum Beispiel, dass sich der Bruder nicht traute, einen zu schlagen. „… dir eine Lektion erteilen.“ Er wartete auf eine Reaktion, doch es kam keine. „Sag etwas!“
„Du schläfst nicht mit ihr?“ Santiago seufzte laut. „Gut.“
„Das ist gut?“
Santiago lächelte. „Sehr gut.“ Sehr gut, dass er nicht länger eifersüchtig auf seinen eigenen Bruder zu sein brauchte. Dass er nicht länger überlegen musste, warum er wild entschlossen war, Ramon nicht mit Lucy ins Bett gehen zu lassen. Und schließlich, dass er nicht länger so tun musste, als wollte er selbst nicht mit Lucy ins Bett gehen.
Was sollte nicht gut sein an der Vorfreude auf Sex mit einer schönen, erfahrenen Frau? Er würde sein Verlangen befriedigen und Lucy Fitzgerald loswerden.
Ein paar Stunden später trommelte Lucy ungeduldig mit den Fingern auf den Tisch in dem kleinen Salon, in dem sie darauf wartete, zur Finca gefahren zu werden. Sie schaute auf die Armbanduhr. Gerade als sie sich entscheiden hatte, noch eine weitere halbe Stunde zu warten, bevor sie die Sache selbst in die Hand nahm und sich ein Taxi rief, ging die Tür auf.
Erwartungsvoll erhob sich Lucy, dann sank sie entsetzt wieder in den Sessel.
„Ich habe nicht damit gerechnet, dich immer noch hier zu sehen.“
Statt Josef war Santiago ins Zimmer gekommen und musterte sie nun blasiert von oben bis unten.
„Ich dachte, nur eine Naturkatastrophe kann dich aufhalten.“ Oder Josef, der sich jeder Lage gewachsen zeigte. Der Mann hatte eine Gehaltserhöhung verdient. Santiago hatte ihm befohlen, er solle sie nicht gehen lassen, und Josef hatte es geschickt angestellt.
Lucy wurde rot. „Ich warte noch immer auf das Auto“, erklärte sie steif. „Josef hat behauptet, es würde nicht lange dauern.“ Das war vor zwei Stunden gewesen.
Spöttisch zog Santiago die Augenbrauen hoch.
„Es tut mir leid, wenn ich deine Gastfreundschaft überstrapaziert habe.“ Sie sprang auf.
„Setz dich.“ Er legte ihr die Hand auf die Schulter und drückte Lucy zurück in den Sessel.
Sie atmete schneller, weil sie gegen die innere Anspannung ankämpfen musste, die seine Berührung ausgelöst hatte.
„Habe ich das gesagt?“ Santiago durchquerte das Zimmer und zog den Stöpsel aus einer Karaffe, die auf dem Sekretär stand. Er goss einen Fingerbreit der Flüssigkeit in ein Glas und leerte es in einem Zug, dann griff er wieder nach der Karaffe.
„Nein“, räumte Lucy ein. „Aber …“
„Bist du bei allen so defensiv und reizbar oder nur bei mir?“, stieß Santiago hervor, während er ein zweites Glas einschenkte. „Denkst du, ich bin nicht fähig zu sagen, was ich meine?“
Ich trinke keine harten Sachen, wollte sie ablehnen, doch nach kurzem Zögern nahm sie das Glas, das er ihr hinhielt. „Ich bin sicher, du bist fähig zu …“ Ihre Blicke begegneten sich, und sie verlor den Faden.
Die Bemerkung einer Bekannten schoss ihr durch den Kopf: „Ich kann ihn nicht ansehen, ohne mir auszumalen, dass er bestimmt unglaublich im Bett ist.“ Damals hatte Lucy versucht, sich vorzustellen, was es bedeutete „unglaublich im Bett“ zu sein.
„Ich bin im Umgang mit Menschen vorsichtig“, platzte sie heraus. Bei Santiago war sie nicht vorsichtig genug gewesen. Sie hätte weglaufen sollen, als sie ihn das erste Mal gesehen hatte. Stattdessen hatte sie jede Gelegenheit ergriffen, um in seiner Nähe zu sein. Sie hatte sich eingeredet, ein Opfer der Umstände zu sein, während sie in Wirklichkeit ein Opfer ihrer Libido gewesen war.
Ich bin halt auch nur eine der vielen Frauen, die sich lächerlich gemacht haben, um Santiagos Aufmerksamkeit zu erregen.
„Vorsichtig“ war ein Wort, das er niemals auf eine Frau bezogen hätte, die handelte, bevor sie nachdachte. Sie hatte seine Erziehungsmethoden kritisiert, ein wertvolles Pferd gestohlen und sich an einer Verschwörung beteiligt, um ihm eine Lektion zu erteilen. „Demnach bin ich niemand Besonderes.“
Wenn es doch nur so wäre, dachte Lucy, als Santiago sein Jackett auszog und über eine Stuhllehne hängte. Seine natürliche Eleganz ließ sie wie immer erschauern. Die Anziehungskraft, die er auf sie ausübte, ließ nicht nach. Wenn überhaupt, wurde sie stärker. Fasziniert
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