Julia Extra Band 366
angestrengtes Schweigen.
Jetzt, da er geduscht hatte und wieder an mehr denken konnte als an Sophie, wie sie nackt durch sein Haus lief, wurde Dan selbst nervös.
Normalerweise stand er am Morgen danach früh auf – dafür musste er seinen Wecker stellen, was er offensichtlich vergessen hatte – und führte die fragliche Frau zum Frühstück in sein Lieblingscafé aus. Erstens liebte er ein gutes Frühstück, und zweitens durchkreuzte es die gefährliche Illusion von Intimität, die das gemeinsame Aufwachen heraufbeschwor.
Aber er war mit Sophie aufgewacht, und es hatte ihm gefallen. Sehr. Noch schlimmer: Nachdem sie sich leidenschaftlich geliebt hatten, war er noch immer nicht aufgestanden. Nein, stattdessen waren sie eng umschlungen wieder eingeschlafen.
Eng. Umschlungen.
War das wirklich eine gute Idee, wenn man bedachte, dass Sophie eine Frau für feste Beziehungen war? Glaubte sie jetzt etwa, dass es mehr als nur eine einzige gemeinsame Nacht war?
War es etwa mehr als nur eine einzige gemeinsame Nacht?
Ja, wahrscheinlich. Er hatte eine Affäre vorgeschlagen, und die hatte Sophie wohl auch im Sinn. Oder vielleicht nicht. Nein, nur die eine Nacht. So, wie sie am Strand gesagt hatte, es sei nur der eine Kuss gewesen.
Machte es ihm etwas aus? Das sollte es nicht.
Sophie räusperte sich. „Danke, dass du mich hinfährst, Dan. Und dass du so gelassen bleibst, während ich völlig durchdrehe.“
Er war nicht gelassen. Er war durcheinander. Nervös. Angespannt nickte er.
„Du kannst stolz auf dich sein. Du hast mich so abgelenkt, dass ich meinen Wecker und sogar das Bewerbungsgespräch vergessen habe.“
Dan musste einfach lächeln, und er konnte es auch nicht verbergen. „Dafür entschuldige ich mich nicht.“
„Solltest du auch nicht“, sagte sie leise. „Hm … also … gibt es dafür Richtlinien, die ich zu beachten habe?“
„Wofür?“ Er warf ihr einen schnellen Blick zu, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Morgenverkehr richtete.
„Du weißt schon … uns.“
„Uns?“ Es klang viel schärfer, als er beabsichtigt hatte. Aus Gewohnheit vielleicht. Eine unwillkürliche Reaktion auf eine Frau, die eine Bindung zu ihm herstellen wollte.
Sophie lachte trocken. „Nur keine Panik, Dan. Ich habe bloß unsere Affäre gemeint. Oder was auch immer es ist.“
Er hielt an einer Ampel. Bis zu dem Hochhaus, in dem das Bewerbungsgespräch stattfand, waren es höchstens noch zwei Minuten. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Ihn beunruhigte, wie erleichtert er darüber war, dass Sophie mehr als die eine Nacht wollte.
Als es grün wurde, hatte er noch immer nichts gesagt. Er fuhr weiter. Sollte er das mit ihnen einfach jetzt beenden? Bevor es zu kompliziert wurde? Ihm gefiel nicht, wie er sich im Moment fühlte. Als wäre seine Welt aus dem Gleichgewicht geraten.
Vorsichtig lenkte Dan das Auto in eine Ladebucht. In der zugeparkten Straße im Geschäftszentrum war es der einzig mögliche Platz, um Sophie abzusetzen. Lange durfte er da nicht stehen, deshalb ließ er den Motor laufen, während er nach Worten suchte.
Sie stieg aus und beugte sich zurück ins Auto, um sich ihre Handtasche zu schnappen. „Danke fürs Mitnehmen.“
„Sophie, ich …“
Ihre Blicke begegneten sich. Auch ungeschminkt war sie bildschön. Dunkelblaue Augen, Porzellanteint, rosarote Lippen.
Sie schloss die Augen, schüttelte den Kopf und öffnete sie wieder. Jetzt war ihr Blick kühl. Dann richtete sie sich auf, schlug die Tür zu und war weg.
Gemessen an den Umständen verlief das Bewerbungsgespräch bemerkenswert gut. Und Umstände gab es viele. Ihr Kleid. Völlig unpassend bei so einem Termin. Ihre lilaschwarz lackierten Zehennägel. Kein Make-up. Nicht, dass sie am Samstagmorgen perfekt geschminkt in den Supermarkt ging. Aber sie war nie ungeschminkt zur Arbeit gegangen. Make-up ließ sie gut aussehen. Professionell. Elegant. Kein Wunder, dass sie sich ohne unprofessionell und ungepflegt fühlte.
Aber als sich Sophie beim Geschäftsführer dafür entschuldigt hatte, wie sie aussah, verdrängte sie es einfach. Sie konnte es ja sowieso nicht ändern. Ansonsten war sie gut vorbereitet, sie war pünktlich und damit basta.
Leider konnte sie den Schmerz in ihrem Innern nicht verdrängen. Das war es, was das Gespräch wirklich bemerkenswert machte: Sie führte es wie ein vernünftiger, intelligenter Mensch.
Obwohl sie sich ziemlich dumm vorkam.
Sehr dumm! schalt sie sich nach der Unterredung auf dem Weg zum
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