Julia Extra Band 366
Hauses geübt. Sie hatten in ihrem Wohnzimmer geübt.
Es war ihr Hochzeitslied.
Sophie atmete tief ein und aus und kämpfte gegen die Wellen der Emotionen, die sie überfluteten. Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie hatte geglaubt, sie wäre endlich einen Schritt weiter. Dass Rick nicht länger die Macht hatte, ihr wehzutun.
„Ist alles in Ordnung mit dir, Sophie?“
Sie konnte Dan kaum verstehen. Der Songtext hallte in ihrem Kopf. Sie lief ins Haus und hinaus in den Vorgarten. Eigentlich sollte sie das Lied nicht mehr hören können, doch es folgte ihr, es ließ sie einfach nicht los.
Ihr wurde klar, dass sich ihre Gefühle gar nicht um Rick drehten. Nein, stattdessen war diese Musik wie der Soundtrack einer Zeit in ihrem Leben, als alles perfekt zu sein schien. Als ein Mann sie so geliebt hatte, wie sie war. Als sie geglaubt hatte, dass ihre Unfruchtbarkeit keine Rolle spielte. Dass sie genug war.
Und es war alles eine Lüge gewesen.
Sie war nicht genug für Rick gewesen.
Und dieser Song sagte ihr, dass sie sich nicht länger etwas vormachen durfte.
Vielleicht würde sie keinem Mann je genügen.
„Sophie! Bleib stehen!“
„Ich muss nach Hause.“ Sie lief weiter die Auffahrt hinunter.
Mühelos überholte Dan sie und versperrte ihr den Fluchtweg.
Die Melodie war aus ihrem Kopf verschwunden. In der stillen dunklen Straße war ihr schweres Atmen das einzige Geräusch, das Sophie hörte.
„Es war dieser Song, richtig? Du hast dich schon bei den ersten Takten in dich selbst zurückgezogen.“
„Mein Hochzeitslied“, sagte sie bitter. „Für den ersten Tanz als Ehepaar. Es hat böse Erinnerungen wachgerufen, das ist alles.“
„Sophie?“ Es war die Stimme einer Frau, leise und besorgt. Emma.
Oh nein, ich habe mich gerade völlig lächerlich gemacht! dachte Sophie. Sie drehte sich um. „Entschuldige, Em. Ich brauchte frische Luft.“
Emma wies sie nicht darauf hin, dass es in ihrem Garten reichlich frische Luft gab. Ein Beweis für ihre lange Freundschaft, die gehalten hatte, obwohl sie sich in den vergangenen Jahren selten getroffen hatten. „Bist du okay?“ Emmas Blick huschte über Sophies Schulter zu Dan.
Nein. „Ja“, erwiderte Sophie. „Aber wir fahren besser los. Ich habe morgen früh ein Einstellungsgespräch.“
„Lass uns bald zusammen einen Kaffee trinken, ja?“ Emma warf Sophie noch einen besorgen Blick zu und kehrte dann zum Haus zurück.
„Ich hole die Kühlbox und deine Handtasche“, sagte Dan und folgte ihr.
Sophie lehnte sich an den Stamm eines Jacarandabaums und sah den beiden nach. Sie hatte nicht einmal ihre Handtasche oder ihren Autoschlüssel mitgenommen. Wohin hatte sie eigentlich gewollt?
Einfach nur weg!
Aber genau das war das Problem. Der innerlichen Leere konnte sie nicht entkommen. Gegen die half auch ihr Projekt nicht. Sie hatte beschlossen, jedem möglichen Partner zu sagen, dass sie unfruchtbar war. Na und? Was würde das bringen?
Das Unvermeidliche würde nur schneller passieren.
Enttäuschung.
Nichtssagende Worte, die beruhigen sollten.
Dann Zurückweisung. Immer Zurückweisung.
Selbst ihre Beziehungen vor Rick – als ihre Freunde noch gar nicht in einem Alter waren, in dem Kinder in den Zukunftsplänen weit oben standen – waren vorübergehend gewesen. Unterschwellig war immer klar gewesen, dass sie keine Frau war, die Männer heiraten wollten. Sie hatte es gewusst. Dann hatte Rick sie glauben gemacht, dass alles ganz anders sein konnte. Und sie hatte in dem geschwelgt, was sich als Lüge herausgestellt hatte.
Ihr Traumtyp war ein Mann, der sich wie sie Heirat, Heim und ein gemeinsames Leben wünschte. Aber warum sollte so ein Mann sie wollen?
Dan, das genaue Gegenteil ihres Wunschpartners, kam mit der leeren Kühlbox in der Hand auf sie zu. Sophie gab sich dem erregenden Anblick seiner breiten Schultern hin, der schmalen Hüften, der langen Beine.
Dan wollte sie. Also warum der Anziehungskraft zwischen ihnen widerstehen? Warum nicht aufhören mit dem ganzen Nachdenken, den Rechtfertigungen und vernünftigen Entscheidungen und einfach loslassen? Sie könnte dieser ungewohnt starken Leidenschaft nachgeben und erleben, wonach sie sich so sehr sehnte. Und was ihr jetzt die natürlichste Sache der Welt zu sein schien.
All der Schmerz, die Frustration und das Verlangen lagen in ihrem Blick, als Sophie ihm in die Augen sah. Abrupt blieb Dan stehen, die Kühlbox entglitt ihm und fiel auf den Rasen. Wortlos kam er zu ihr. Ihre Handtasche
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