Julia Extra Band 366
darauf geachtet hatte, niemals etwas von ihren Sachen zurückzulassen.
Sobald Dan hineinging, sah er ein, wie dumm er gewesen war. In dieser Bar hatten sie sich kennengelernt, hier arbeitete Sophie, und hier hatten sie gestern Abend den besten Sex seines Lebens gehabt. Sein Zufluchtsort? Heute nicht. Vielleicht nie wieder.
Dan fuhr zu seinen Eltern, wo es ihm möglich war, sich zusammenzureißen und einen klaren Kopf zu bekommen, ohne dass ihn Erinnerungen an Sophie verwirrten.
„Was für eine nette Überraschung!“, sagte seine Mutter, als sie aufmachte. Dann musste ihr etwas an seinem Gesichtsausdruck aufgefallen sein, weil sie besorgt fragte: „Ist alles in Ordnung, Liebling?“
Das war der Moment, in dem Dan anfing, sich noch dümmer zu fühlen. Was war mit ihm los?
Warum schaffte er es nicht, ruhig und vernünftig zu bleiben? Sophie hatte wahrscheinlich recht. Alles sprach dafür, dass sie nicht schwanger war. Er hatte Freunde, die es monate- oder jahrelang versucht hatten, bevor ihre Frauen endlich schwanger geworden waren. Also wozu die ganze Aufregung? Warum hatte er es gestern Abend so eilig gehabt, nach Hause zu kommen – allein?
Allerdings war nicht nur er davongelaufen. Sophie hatte ganz genauso niedergeschlagen ausgesehen, wie er gewesen war, und hatte sich ebenso schnell zurückgezogen. An diesem Morgen hatte Dan nichts von ihr gehört, was jedoch nicht ungewöhnlich war. Sie hatten immer erst abends miteinander gesprochen, seit sie ihre Affäre begonnen hatten.
Er folgte seiner Mutter ins Haus und saß schweigend am Küchentresen, während sie ihm einen Kaffee kochte. Sie stellte die Tasse vor ihn hin und setzte sich auf den Hocker zu seiner Linken.
„Möchtest du mir erzählen, was los ist?“
„Nein. Nichts ist los. Ich dachte einfach, ich schaue mal vorbei.“
Sie warf ihm einen herausfordernden Blick zu. „Dan, hältst du mich wirklich für so dumm?“
„Bin ich wirklich so leicht zu durchschauen?“
„Normalerweise nicht, nein.“
Nur heute. Großartig.
„Hat es etwas mit der Arbeit zu tun?“, fragte seine Mutter, nachdem ein paar Minuten vergangen waren.
Zumindest stand ihm sein Problem nicht ins Gesicht geschrieben. Wie auch, schließlich wusste er selbst nicht genau, wo eigentlich das Problem lag.
War er wütend auf sich, weil er vergessen hatte, ein Kondom zu benutzen?
Ja, zweifellos.
Aber wenn es allein das war, warum sagte ihm sein gesunder Menschenverstand nicht, dass es sinnlos war überzureagieren? Wahrscheinlich würde es gut gehen. Er sollte einfach ein paar Wochen warten, bis er es mit Sicherheit wusste. Und falls Sophie schwanger war, sich dann damit auseinandersetzen.
Alles sehr vernünftig. Alles Dinge, über die er mit seiner Mutter nicht sprechen wollte. Außerdem beunruhigte ihn noch etwas anderes, doch er bekam nicht zu fassen, was es war.
„Nein, nicht mit der Arbeit. Ich möchte nicht darüber reden oder daran denken.“
Zum Glück hörte seine Mutter die Bitte heraus, sie solle ihn ablenken. Sie erzählte ihm lang und breit, was sich in der vergangenen Woche ereignet hatte, seit sie zuletzt miteinander gesprochen hatten. Mit wem sie sich zu einem Kaffee getroffen hatte, welches Buch sie gerade in ihrem Buchclub lasen, solche Sachen. Sein Vater, von einem eindeutigen Blick seiner Frau instruiert, setzte sich zu ihnen und stellte ebenfalls keine Fragen. Stattdessen erfuhr Dan alles über den Fall seines Vaters, die neuesten Entwicklungen, eine Reihe von Präzedenzfällen, die er überprüfte.
Dan nickte und lächelte an den richtigen Stellen, denn er hörte sehr wohl zu. Hängen blieb jedoch kaum etwas. Anscheinend verfolgten ihn die Erinnerungen an Sophie überallhin. Wie sie ausgesehen hatte, als sie neben ihm geschlafen hatte: mit zerzaustem Haar, aber dennoch wunderschön. Sie war keine ordentliche Schläferin. Meistens hatte sie einen Arm über dem Kopf angewinkelt und hielt die Beine schief. Dan gefiel der Gegensatz zu der perfekt frisierten, perfekt organisierten Sophie, die sie bei Tag war.
Und der unordentliche Zustand stand ihr gut. Er passte zu ihrer innewohnenden Leidenschaft, die Dan ihr nie zugetraut hätte, bis sie sich das erste Mal geküsst hatten. Danach war es ihm verrückt vorgekommen, dass er vorher nichts davon bemerkt hatte. Weil sich Sophies Leidenschaft in allem zeigte, was sie tat. Er hatte sich ja so geirrt. Ihre Pläne und Tabellen nahmen ihr keineswegs jedes Empfinden. Stattdessen lenkten sie ihre Leidenschaft.
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