Julia Extra Band 366
Er war der beängstigendste Mann, dem sie je begegnet war – und gleichzeitig so beeindruckend, dass sie erschauerte und am liebsten dahingeschmolzen wäre.
Doch das würde sie niemals zulassen.
„Ich möchte Emilys gesamte Ausbildung abgesichert wissen“, sagte sie knapp. „Vom Studienbeginn bis zum Doktortitel, sollte sie den Wunsch haben.“
„Sie werden das gesamte Erbe Ihrer Mutter übereignet bekommen“, erklärte Theo plötzlich, als ob es die selbstverständlichste Sache der Welt wäre. Als ob es sich um ein kleines Erbe handelte und nicht um ein stattliches Vermögen. „Alles, was ihr genommen wurde, plus Zinsen, vom Tag Ihrer Geburt an.“
Becca würde ihm nicht zeigen, wie nahe ihr das ging und dass sie immer noch mit Schuldgefühlen kämpfte, auch wenn sie sich immer wieder einredete, keinen Grund dafür zu haben.
„Dann bitte aber schriftlich“, stellte sie klar. „Sie werden verstehen, dass ich Ihnen nicht vertrauen kann. Alles, was mit den Whitneys zu tun hat, trägt für mich einen Makel.“
„Meine Anwälte haben bereits alles vorbereitet“, sagte er auf diese täuschend leichte Art, die für ihn typisch zu sein schien. Als ob ihre Seele nicht auf dem Spiel stände. „Sie müssen nur noch unterschreiben.“
Wieder hatte sie das sichere Gefühl, vom richtigen Pfad abgekommen zu sein. Dass sie sich in einem dunklen Wald befand, in den kein Sonnenstrahl drang. Er beobachtete sie, und die glühenden Augen in seinem dunklen Gesicht zogen sie magisch an, wie ein Leuchtfeuer in nächtlicher See. Wenn sie zustimmen und auch nur eine einzige Sekunde länger in der Gesellschaft dieses Mannes verbringen würde, konnte sie sich abschreiben.
Er würde sie verändern. Nicht nur, weil er wollte, dass sie sich für seine Verlobte ausgab, was ohnehin schon mehr als fraglich war. Sondern weil er … zu stark war. Zu mächtig. Wie sollte sie mit ihm fertig werden?
Wieder musste sie an Emily denken. Sie hatte keine Wahl. Denn es lag in ihrer Hand, die Zukunft ihrer Schwester zu sichern. Sie würde zustimmen. Schließlich hatte sie es ihrer Mutter am Sterbebett versprochen.
„Gut“, sagte sie mit zitternder Stimme. Ihr war bewusst, dass sich ab diesem Moment die Welt für sie verändern würde. Er hatte gewonnen. „Was soll ich tun?“
3. KAPITEL
„Ich baue auf Ihre Verschwiegenheit“, bemerkte Theo in seiner zielgerichteten, konzentrierten Art, als er sie in seiner Limousine von ihrem Flug aus Boston abholte. „Wie Sie bereits in dem Vertrag zusicherten, den Sie unterschrieben haben.“
Er hatte ihr vierundzwanzig Stunden gegeben, um ihre Angelegenheiten zu regeln.
Vierundzwanzig Stunden, um Emily wieder einmal bei den Eltern ihrer besten Freundin unterzubringen, während Becca „wegen dringender Geschäfte“ verreisen musste. Das war schon öfter der Fall gewesen, wenn Becca mit der Vorbereitung einer Gerichtsverhandlung beschäftigt gewesen war – und dies hier war doch auch so etwas wie ein Gerichtsverfahren, oder nicht?
Vierundzwanzig Stunden, um ihren Arbeitgebern zu erklären, sie bräuchte die Zeit „für Familienangelegenheiten“.
Vierundzwanzig Stunden, um eine einzige kleine Reisetasche zu packen – Theo hatte gegrinst, als er sie darauf hinwies, dass sie sich um Garderobe nicht zu kümmern brauche, sie würde ihr zur Verfügung gestellt. Seine unausgesprochenen Worte: Denn mit Ihrer eigenen blamieren Sie sich bei Menschen wie uns … ließen sie jedes Mal vor Zorn erröten, wenn sie daran dachte. Vor Zorn auf ihn .
Vierundzwanzig Stunden, um wieder nach New York zurückzukehren. Bereit, sich in eine Cousine zu verwandeln, von der sie sich bisher stets ferngehalten hatte.
„Nein“, gab sie ihm zur Antwort und versuchte, gelassen zu wirken. Sie tat so, als wäre sie bereits eine Million Mal in solch einem protzigen Wagen mitgefahren. „Ich habe verschiedene Anzeigen im Boston Globe geschaltet und bei CNN ein Interview über unseren kleinen Deal gegeben.“
„Sehr amüsant“, äußerte Theo in einem Ton, der das Gegenteil bekundete. Dennoch schloss sie aus dem Funkeln seiner Augen, dass er sie verstehen konnte. Wunschdenken, ermahnte sie sich, während Theo ergänzte: „Ich bin mir sicher, dass diese Art von Sarkasmus Ihrer Karriere förderlich ist.“
„Für gewöhnlich werde ich für meine Arbeitsmoral gelobt, nicht für meine Schlagfertigkeit“, erwiderte Becca. „Sind Sie vielleicht Chef von Whitney Media geworden, weil Sie Witze gerissen haben? Ich
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