Julia Extra Band 366
Er hatte sie zu lange angestarrt und bemerkte, dass Becca ihre Nerven im Zaum halten musste. Er fand das sogar sympathisch. Denn er erinnerte sich, wie Larissa zum ersten Mal von ihm Notiz genommen hatte. Als sie ihn erwählt hatte. Wie kalt es ihm wurde, als er feststellen musste, dass sie mit ihrer Wahl in Wirklichkeit nur Bradford zur Weißglut treiben wollte. Und wie er den Spieß umgedreht hatte und zu Bradfords Günstling avanciert war. Das hatte sie ihm nie verziehen.
Er sah sich selbst im Spiegel – er wirkte wie eine düstere Gestalt aus einem Schauerroman. Genau so, wie Larissa ihn immer dargestellt hatte: Als groben, ungeschlachteten Klotz ohne Manieren, dem keine Vergünstigungen zustanden. Doch das hier war nicht Larissa. Sie war nur ein Abbild von ihr, ohne Anspruch auf gesellschaftliche Stellung, genau wie er.
Wie er sich wünschte, dass es anders sein könnte, dass Becca die wahre Larissa wäre …
„Die Ähnlichkeit ist mir nie aufgefallen“, sagte Becca ruhig. Doch die Ruhe war nur vorgetäuscht. Ihre Knie zitterte vor Aufregung. Ein nervöser Tick, den man ihr austreiben muss, dachte er. Larissa war nie nervös gewesen.
Er hasste es, dass Becca so verunsichert wirkte. Auf einmal erschien es ihm entsetzlich ungerecht, dass diese Frau jene Energie versprühte, die er an Larissa so sehr vermisst hatte. Dass Becca frei war von alldem, was Larissa zerstört hatte.
„Das kann ich kaum glauben“, sagte er abschätzig. Er musste sich zur Geduld zwingen, sein Temperament zügeln. Dies war ein langsamer Prozess, kein Wettrennen. „Larissa ist eine weltbekannte Schönheit. Also sind Sie, wenn Sie ihr in Körperbau und Aussehen so täuschend ähnlich sind, auch eine Schönheit.“
Ihre Blicke trafen sich im Spiegel und hielten einander fest. „Zufällig bin ich eine komplett eigene Persönlichkeit.“ Eine Braue hob sich herausfordernd. Diese Geste war so weit von Larissas oberflächlichem Gehabe entfernt, wie es nur möglich war. Er spürte, wie sein Blut zu kochen begann. „Mein Leben wird niemals etwas mit der Ähnlichkeit zu Larissa Whitney zu tun haben.“ In wilder Entschlossenheit wandte sie sich ihm zu. „Ich möchte Ihnen sogar ein kleines Geheimnis verraten.“ Sie senkte die Stimme. „Oft wirkt Larissa Whitney wie ihre eigene Karikatur.“
„Ich schlage vor, keine Witze über sie zu reißen“, sagte Theo. Er bemerkte die Röte, die in ihre Wangen stieg. Larissa hatte nie so zu ihm gesprochen. Sie hatte ihn geduldet, Höflichkeit vorgeschützt, wenn andere in der Nähe waren. Doch sie hatte nie auf ihn reagiert . Nicht wie eine Frau auf einen Mann reagierte.
Doch daran wollte er jetzt nicht denken.
Sicher, es war Betrug an ihr. Hatte er Larissa nicht geschworen, dass er sie nie betrügen würde, egal, was sie tat? Was war er für ein Mann, dass er das jetzt ignorierte? Das Einzige, was er von Becca verlangen durfte, war das, was ihre Ähnlichkeit mit Larissa ihm verschaffen konnte. Nach all den Jahren der Spielchen und der gebrochenen Versprechen hatte er zumindest das verdient. Doch sein Körper hörte nicht auf ihn. Er verlangte mehr.
„Es gibt kein Zurück mehr, oder?“, fragte Becca. Vielleicht meinte sie es auch nicht als Frage. „Sie haben es geschafft, mich in Larissa zu verwandeln. Glückwunsch!“
Theo lächelte schmal. „Ich habe nur Ihre Haare dementsprechend frisieren lassen“, korrigierte er sie. „Mehr war es nicht. Nun wird es auf die Garderobe ankommen – und selbstverständlich auf das persönliche Erscheinungsbild.“
„Tut mir leid, das sagen zu müssen“, meinte sie mit zitternder Stimme, „doch rein genetisch bin ich ebenso sehr eine Whitney wie sie. Ich wurde nur nicht mein ganzes Leben lang nach Strich und Faden verwöhnt.“
„Larissa aber schon“, gab er brüsk zurück. „Und darin liegt letztendlich eines der größten Probleme, die es zu überwinden gilt. Larissa marschierte von einer teuren Boutique in die nächste. Den Sommer verbrachte sie in Newport beim Segeln, wenn sie nicht gerade die Welt bereiste. Dieser Lebensstil ist Ihnen gänzlich fremd.“ Er zuckte die Achseln. „Das ist kein Werturteil, nur eine Feststellung der Fakten.“
„Stimmt“, sagte Becca. Wieder begannen sich ihre Knie selbstständig zu machen. Sie wollte es ihn nicht merken lassen und stand deshalb auf. Die Bewegung, mit der sie ihre blonde Mähne nach hinten warf, glich Larissa so sehr, dass Theo der Atem stockte. Doch der Schwung ihrer Brauen, die Art,
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