Julia Extra Band 366
es zu wollen. Finster besah sie den Marmorboden unter ihren Füßen, als ob der schuld war an der Schwäche, die sie für diesen Mann hegte.
„Ich habe es nicht nötig, jeder Anweisung Folge zu leisten, die Sie von sich geben“, sagte sie, als ob sie es nicht soeben getan hätte. „Es gibt keinerlei Abmachung zwischen uns.“
„Ihren klugen Kopf weiß ich zu schätzen“, sagte Theo. Viel zu dunkel war seine Stimme und ging ihr durch und durch. Ihm den Rücken zu kehren war bestimmt ein Fehler. Es war wie eine Einladung an ihn, sie weiter zu demütigen.
Deshalb machte sie kehrt. Er stand nahe vor ihr in der riesigen Eingangshalle, so düster und doch mit unglaublich strahlenden Augen und so unwiderstehlich, dass sie am liebsten ihren Widerstand aufgegeben hätte. Doch das konnte sie nicht, solange sie sich hier in diesem Gebäude aufhielt, umgeben von Feinden.
„Ich bezweifle, dass Sie mir ein ehrliches Kompliment machen wollten“, sagte sie und blickte prüfend in sein faszinierendes Gesicht. „Ich glaube, Sie wollen sich nur wichtigmachen.“
„Es gibt einen bedeutenden Unterschied zwischen dem Bild, das Sie sich von mir machen, und dem Mann, der ich wirklich bin“, erklärte Theo mit fester Stimme. „Ich muss nicht den starken Mann spielen, um am Ende erfolgreich zu sein. Mein Wille allein reicht dafür vollkommen aus.“
„Dann tut es mir leid, Ihre Erfolgsserie unterbrechen zu müssen“, murmelte sie. „Denn ich ziehe meinen eigenen Willen dem Ihren vor.“
Lässig hob er die Schultern, als wollte er sagen, dass er sich nichts aus der Kraft ihres Willens mache. „Ich baue weiterhin auf Sie“, entgegnete er in aller Ruhe. „Ich denke, wir werden zu einem Ergebnis kommen, bevor Sie durch diese Tür gehen.“
Warum nur war sie so nervös? Er stand doch meterweit entfernt und wirkte völlig entspannt. Auf dieselbe Art entspannt wie ein Raubtier, bevor es zum Sprung ansetzt …
„Ich bin nicht interessiert an weiteren Verkaufsgesprächen“, sagte sie schnippisch. „Sie und Ihre ganze Clique kommen mir vor wie Kannibalen, die nur darauf warten, dass das arme Mädchen endlich stirbt …“
„Sie wissen weder etwas über Larissa“, unterbrach er sie vorwurfsvoll, „noch über irgendwelche Zusammenhänge, die Familie und das Unternehmen betreffend.“
„Ich will auch gar nichts darüber wissen!“, konterte sie, auch wenn sie wusste, dass er recht hatte. Sie hatte tatsächlich keinerlei Kenntnisse über diese Familie, die sie bereits abgelehnt und verstoßen hatte, noch bevor sie zur Welt gekommen war. „Sobald ich durch diese Tür gegangen bin, werde ich keinen Gedanken mehr an diese Familie verschwenden!“
Mit glühenden Augen trat er näher. Er kam ihr vor wie der Teufel selbst, und ihr Magen rebellierte. Wenn sie nicht aufpasste, würde er Macht über sie gewinnen, wie niemand zuvor sie je besessen hatte. Trotzdem wich sie keinen Schritt zurück.
„Sie sollten allein an Ihre Schwester denken.“ Er klang sanft, verführerisch.
„Ich denke immer an meine Schwester“, gab sie zurück.
„Können Sie sich wirklich die Chance entgehen lassen, ihre Zukunft zu sichern?“ Er klang vernünftig. Besonnen. „Nur weil Sie eine gewisse moralische Überlegenheit der Familie gegenüber verspüren, die Sie bisher abgelehnt hat?“
Das war ein Stich in ihr Herz, und er wusste es auch, wie sie an seinem Blick bemerkte.
„Helfen Sie Ihrer Schwester damit, wenn Sie dieses Haus mit Ihrer vermeintlich berechtigten Empörung verlassen?“, fragte er mit der gleichen tödlichen Ruhe wie vorher. „Oder glauben Sie nicht, dass sie Ihnen noch einmal dankbar sein wird für eine Top-Ausbildung, die sie erhalten wird, wenn Sie hier nicht unverrichteter Dinge wieder hinausmarschieren?“
Die Kälte des Marmors schien auf sie abzufärben. Sie fror und sie hatte einen trockenen Hals. Verdammt noch mal – er hatte ja recht. Es ging schließlich um Emilys Zukunft. Um ihr Glück. Sie hatte es ihrer Mutter versprochen. Geschworen.
War sie nicht genau deshalb hierhergekommen? Aus eigener Initiative? Warum wollte sie jetzt kneifen? Sie hatte doch schon vorher alles über die Familie gewusst. Weshalb lief sie jetzt weg? Nur weil sich ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt hatten?
„Gut, Sie haben Ihre Argumente vorgebracht“, sagte sie schließlich, als sie seinen eindringlichen Blick keinen Augenblick länger ertragen konnte. Ihr kam es vor, als hätte er allein sie in diese Situation gebracht.
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