Julia Extra Band 366
Zumindest kannte er, was sie betraf, jedes Detail.
„Sie müssen sich lässiger geben“, merkte er jetzt an. Nebenbei tippte er wie wild in seine Tastatur. Zweifelsohne war er dabei, mit einem einzigen Streich ganze Länder zu kaufen und zu verkaufen. „Larissa saß nie so gerade wie eine brave Schülerin auf ihrem Stuhl. Sie hat sich gelangweilt zurückgelehnt und darauf gewartet, bedient zu werden.“
Also lehnte Becca sich entspannt gegen das Messinggeflecht ihres Stuhls und wirkte wie ein verwöhnter Pascha. Genau wie er .
Es war eine lange Woche gewesen.
Becca war keine Schauspielerin und hatte nie eine werden wollen. Nun wurde ihr langsam klar, dass es sich bei ihrer Rolle um reine Schauspielerei handelte. Theo wollte, dass sie jedes Detail von Larissas Leben kannte und zu jeder Zeit darüber ausgefragt werden konnte und eine passende Antwort parat haben musste.
„Ich kann mich heute nicht mal mehr erinnern, mit wem ich in der sechsten Klasse befreundet war“, hatte sie protestiert, als sie vor Stapeln von Notizen, Fotografien und Tagebüchern gesessen hatte, die Theo ihr zum Studium herausgesucht hatte. Mit mitleidlosem Gesichtsausdruck saß er ihr gegenüber in einem der tiefen Ledersessel am Kamin und drehte an einem Globus in einem Messingständer.
„Das wäre vermutlich anders“, hatte er unbeirrt erwidert, „wenn unter Ihren Freunden die Rockefellers, spätere Filmstars und ein paar europäische Adlige gewesen wären.“
Was sollte sie dagegen vorbringen? Becca hatte die Zähne zusammengebissen und sich über den Stapel hergemacht, den er zusammengetragen hatte. Seite für Seite drang sie mehr und mehr in Larissa Whitneys Leben ein. Eine Tour durch Europa, ein Abstecher nach Hawaii, eine exklusive Ranch in den Rocky Mountains, das waren typische Stationen. Die Malediven an Ostern und die Hamptons für Wochenendausflüge. Reiten auf edlen Pferden, Tanzstunden im Ballsaal, Privatunterricht in Französisch und Italienisch. Jeder nur erdenkliche Luxus, serviert auf einem Silbertablett.
Larissa war gerade mal ein Jahr älter als sie selbst. Je mehr Becca über ihre Erziehung und ihren Lebensstil erfuhr, desto schwerer fiel es ihr, sich weiter durch das endlose Material zu kämpfen. Doch sie schaffte es.
Die Tage wurden zur Routine. Früh aufstehen und Frühstück mit Theo. Dann eine Stunde im Fitnessraum mit dem sadistischsten Trainer, den sie sich vorstellen konnte: Theo höchstpersönlich.
„Ich bin schon in Topform“, stieß sie aus, wenn sie ein noch schwereres Gewicht stemmen sollte, bevor er sie über den Hinderniskurs jagte.
„Das kann schon sein“, sagte er. Die Art, wie er seinen Blick über sie hinwegschweifen ließ, erweckte in ihr den Wunsch, von Kopf bis Fuß bedeckt zu sein, anstatt in einem knappen Top und engen Laufhosen zu stecken. „Aber es geht nicht um das, was wir hier sehen“, erklärte er. „Sondern um das Schönheitsideal der Kreise, in denen Larissa verkehrte.“
„Sie meinen jene Kreise, die sich das tägliche Essen sparen und stattdessen von teuren Pillen leben?“, gab sie trotzig zurück.
„Larissa arbeitete in ihrer Freizeit als Model, Rebecca“, belehrte er sie in einem Ton, als spreche er ihr jedes Recht auf eigene Meinungsäußerung ab. „Ich weiß ja nicht, ob Sie in letzter Zeit einmal einen Blick in die Modemagazine geworfen haben. Magersüchtig ist momentan leider der letzte Schrei. Und Sie sind lange nicht so ausgezehrt, wie ich es mir wünsche, Rebecca.“
„Ich heiße Becca“, erklärte sie schnippisch.
„Mehr arbeiten“, wies er sie ruhig an. „Weniger sprechen.“
Der Mann konnte einen wahnsinnig machen. Er war unmöglich. Zu dieser Einsicht gelangte Becca nach dieser ersten Woche ununterbrochenen Zusammenseins. Endlose Stunden mit Larissa-Studien, gefolgt von Nachmittagen mit Kleideranproben und Make-up, was Theo mit seiner sadistischen Ader schlichtweg als „letzten Schliff“ bezeichnete. Wobei Larissas Garderobe für Becca zu klein, zu gewagt oder zu ausgefallen war.
„Dieses Kleid ist lächerlich und albern“, beklagte sie sich einmal. „Wo, in aller Welt, sollte man so etwas tragen?“
„Das ist ein maßgeschneidertes Valentino-Kleid“, erklärte Theo mit erhobenen Brauen. Er schien entsetzt, dass Becca solch ein Kleinod nicht auf den ersten Blick erkannte.
„Das ist mir völlig egal“, erwiderte sie rasch. „Das Kleid ist schlichtweg hässlich.“
„Ihr Job ist es nicht, Kleider auszuwählen, die Sie selbst
Weitere Kostenlose Bücher