Julia Extra Band 366
Schweigen gebracht hatte. Denn Bradford hatte es geschafft, dass sie sich wieder leer und gebrochen fühlte.
Sie hasste sich dafür, dass es ihr wehtat. Dass Bradford sie verletzt und sie sich von Helens zärtlicher Anwandlung hinters Licht hatte führen lassen, um für einen Moment zu glauben, diese Menschen seien doch keine Monstren.
Und vor allem hasste sie sich dafür, dass Theo ihr so unter die Haut ging, dass er so große Bedeutung hatte und sie in seinem Blick mehr gesehen zu haben glaubte. Sie hatte angenommen, die Person sein zu können, die Theo anscheinend in ihr sah. Stark genug, diese Schlacht ohne Hilfe zu schlagen. Stark genug, auch ohne seine Hilfe. Dabei hatte sie geglaubt, er würde einspringen, wenn sie ihn brauchte. Wie dumm von ihr.
Bei dem Gedanken wäre sie am liebsten in Tränen ausgebrochen, aber sie wusste, dass es keinen Sinn haben würde.
Sie war allein. War es schon immer gewesen. Das fünfte Rad am Wagen in der kleinen Familie, die ihre Mutter mit ihrem Ehemann und Emily aufgebaut hatte. Als Caroline dann starb, war sie tatsächlich auf sich allein gestellt. Sie hatte mit allen Mitteln darum gekämpft, Emily bei sich behalten zu können. Sie wollte damit den Wunsch ihrer Mutter erfüllen, das Mindeste, was sie dieser Frau schuldete, die wegen ihr alles verloren hatte. Deshalb konnte sie nicht verstehen, dass das Gefühl von Einsamkeit an diesem fremden Ort, in dem Grausamkeit so selbstverständlich war wie die teuren Gemälde an den Wänden, ihr die Tränen in die Augen trieb.
Während sie, ohne sich dessen bewusst zu sein, den Gang entlangeilte, fragte sie sich, warum sie auch nur einen Moment geglaubt hatte, dass alles anders sein könnte.
Licht fiel aus einem Raum ein Stück vor ihr und sie ging darauf zu, doch in Gedanken war sie weit, weit weg.
Sie dachte an Theo, seine heißen Lippen, seine fordernden Hände. Ihr Körper jubilierte, als wäre er bei ihr, und sie musste ein Schluchzen unterdrücken. Am liebsten hätte sie sich selbst eine Ohrfeige verpasst, weil ihr plötzlich klar wurde, was sie viel zu lange geleugnet hatte. Sie wusste, warum sie dummerweise überhaupt etwas von einem Mann erwartet hatte, den sie eigentlich nur als ihren Feind betrachten konnte.
Sie liebte ihn.
Ein bitteres Lachen entfloh ihrem Mund und hallte in dem Gang wider. Wie hatte sie das zulassen können? Aber es war nicht zu leugnen. Die Wahrheit erklang in ihr wie ein Lied, süß und sicher, aber sie weigerte sich, es zu singen.
„Gratuliere, Becca“, sagte sie zu sich selbst, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern. „Du hast dich zum kompletten Idioten gemacht.“
Sie liebte Theo Markou Garcia, einen Mann, dem Geld und Macht über alles ging. Ein Mann, der glaubte, in eine Frau verliebt zu sein, die er kaum kannte – ein Fantasiegebilde. Ein Mann, der ihre Liebe nie erwidern würde. Es nicht einmal könnte, wenn er wollte, woran sie jedoch zweifelte. Wie Helen schon sagte. Er wollte nur erste Wahl. Keinen Ersatz.
Am Ende des Ganges betrat sie den Raum, aus dem das Licht fiel. Er war hell erleuchtet und wirkte wie ein Wartezimmer.
Sie bemerkte einen weiteren Raum, der von diesem abging. Becca ging langsam darauf zu, blieb dann jedoch abrupt stehen. Ihr stockte der Atem. Sie konnte nicht glauben, was sie vor sich sah.
Der angrenzende Raum schimmerte in kühlem Blau und wurde beherrscht von dem Krankenbett in der Mitte, mit seinen Maschinen und dem Infusionsapparat, die Becca jedoch kaum bemerkte. Sie sah nur die schmale Gestalt im Bett, die reglos unter den Laken lag, das helle Haar wie einen Heiligenschein um den Kopf gebreitet. So zart. So klein. Es schien unmöglich, dass sie imstande gewesen sein sollte, solch ein Chaos in ihrer Welt zu verursachen – und, wie Becca beschämt dachte, in ihrem Inneren.
Larissa.
11. KAPITEL
Es mochten Minuten vergangen sein, oder Stunden. Becca stand immer noch in der Tür und betrachtete die Frau in dem Bett, die bewusstlos dahinwelkte. Die Frau, der sie so ähnlich sah, und die doch eine Fremde für sie war.
Sicher, sie war keine Ärztin und wusste nicht viel über den Zustand eines Menschen, der im Koma lag. Aber die Larissa, deren Äußeres und deren Auftreten sie für ihre Rolle so genau studiert hatte, war für sie nur schwer mit dieser bleichen Kreatur in Einklang zu bringen, die so still dalag.
Der Boden schien unter ihren Füßen zu schwanken. Becca hielt sich am Türrahmen fest, ohne richtig zu verstehen, was sie vor sich sah oder
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