Julia Extra Band 367
Suzy?“, fragte Lily, der das Herz plötzlich bis zum Hals schlug.
„Ja. Ja, natürlich.“
Suzy trippelte auf ihren High Heels in die Eingangshalle, und Lily hörte, wie sie die Tür öffnete und in gedämpftem Ton etwas sagte. Als Antwort drang der Klang einer tiefen Männerstimme an ihr Ohr, die mit einem so unverkennbaren Akzent sprach, dass kein Verleugnen mehr möglich war. Am liebsten hätte Lily sich die Hände vors Gesicht geschlagen, um sich den Anblick zu ersparen, als Ciro D’Angelo im nächsten Moment, dicht gefolgt von ihrer Stiefmutter, in den Salon kam.
Das Schlimmste war, dass sie es nicht schaffte, einfach nur wütend zu sein. Nein, sobald er sie mit seinen dunklen Augen ansah, durchzuckte es sie heiß und sie fühlte sich erneut unwiderstehlich zu ihm hingezogen.
„Hallo Lily“, begrüßte er sie sanft.
Suzy trat vor und blickte verwirrt zwischen den beiden hin und her. „Heißt das, Sie kennen meine Stief…, äh, Sie kennen Lily schon?“
„Ja, wir sind uns bereits begegnet“, bestätigte Lily rasch, um sich von dem Neapolitaner, der so gefährlich sexy war, nicht gänzlich die Kontrolle aus der Hand nehmen zu lassen. Er hatte ihr Zuhause gekauft, und Suzy hatte ihr soeben als Ersatz eine schäbige kleine Wohnung über einer Teestube angeboten, aber um nichts in der Welt würde Lily ausgerechnet Ciro D’Angelo etwas von ihrer inneren Bedrängnis merken lassen. Und wurde ein Teil dieser Bedrängnis nicht durch etwas ganz anderes verursacht als durch ihre Zukunftsängste? Lag der Grund nicht vielmehr in dem sexuellen Verlangen, das Ciro D’Angelo in ihr weckte? Was wiederum ein weiterer Beweis für ihr mangelndes Urteilsvermögen in Bezug auf Männer war.
Sie atmete tief ein, bevor sie mit ihrer Erklärung fortfuhr: „Mr D’Angelo ist vor einigen Tagen im Garten herumgeschlichen und hat mich halb zu Tode erschreckt. Aber anstatt vernünftigerweise die Polizei anzurufen, war ich so dumm, ihn hereinzubitten und mir sein Märchen anzuhören. Er wollte mir nämlich weismachen, dass er einfach spontan dem Pfad gefolgt sei, um festzustellen, wohin er ihn führe.“
„Ich fühle mich geschmeichelt, wie genau Sie sich noch an meine Worte erinnern“, warf Ciro ein.
„Nun, es war ganz bestimmt nicht meine Absicht, Ihnen zu schmeicheln, Mr D’Angelo“, widersprach Lily sofort, weil es sie maßlos ärgerte, wie leicht sie sich hatte beeindrucken lassen. „Sie sind draußen herumgeschlichen …“
„Wie ein Einbrecher?“, ergänzte er vielsagend.
Lily begegnete seinem Blick und schluckte, denn seine Worte erinnerten sie daran, wie sie sich ihn im hautengen schwarzen Outfit eines Fassadenkletterers ausgemalt und sich in dem aufregenden Gefühl gesonnt hatte, dass ein so attraktiver Mann mit ihr flirtete. „Ja, wie ein Dieb!“, stieß sie heftig aus.
„Lily! Wie kannst du so unhöflich zu Mr D’Angelo sein“, mischte sich Suzy ein.
„Ich kann sein, wie ich will“, entgegnete Lily ärgerlich. „Denn ich habe ja keine heimlichen Geschäfte mit ihm laufen.“
„Ich muss mich für meine Stieftochter entschuldigen“, wandte sich Suzy nun an Ciro und fügte kokett lächelnd hinzu: „Aber es liegt wohl daran, dass wir uns altersmäßig so nahe stehen, dass ich es nie geschafft habe, sie zu disziplinieren … auch schon nicht zu Lebzeiten meines verstorbenen Mannes.“
„Altersmäßig so nahe?“, wiederholte Lily aufgebracht.
Ciro verspürte das dringende Bedürfnis, ihr gegen ihre unsägliche Stiefmutter beizustehen. „Mrs Scott“, wandte er sich deshalb betont höflich an Suzy, „wären Sie wohl so freundlich, mir eine Erfrischung anzubieten? Ich bin direkt von New York hierher geflogen und …“
„Aber natürlich. Sie müssen erschöpft sein. Mich wirft der Jetlag auch jedes Mal um“, flötete Suzy sofort mitfühlend. „Wie wär’s mit einem Kaffee?“
„Perfekt.“
Unwillkürlich sah Suzy ihre Stieftochter an. Und normalerweise hätte sie wohl auch Lily gebeten, sich um den Kaffee zu kümmern, aber irgendetwas in Lilys Gesicht veranlasste sie, es sich besser anders zu überlegen. Also fragte sie nur mit einem erzwungenen Lächeln: „Für dich auch, Lily?“
„Nein, danke. Ich brauche etwas Stärkeres.“ Entschlossen ging Lily zum Barschrank, nahm sich einen Cognacschwenker von der Größe eines kleinen Goldfischglases und schenkte sich von dem teuersten Brandy, den sie finden konnte, einen großen Drink ein. Trotzig trank sie einen gehörigen
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