Julia Extra Band 367
Schluck, und obwohl ihr der Alkohol schrecklich in der Kehle brannte und ihr die Tränen in die Augen trieb, trank sie gleich einen zweiten Schluck hinterher.
„Sachte“, warnte Ciro besorgt.
Empört wandte sie sich ihm zu. „Wagen Sie ja nicht, mir irgendeinen Rat zu erteilen!“, flüchtete sie sich in ihren Zorn, weil der allemal besser zu ertragen war als das brennende Gefühl von Demütigung. „Ich kann gar nicht glauben, dass Sie es sich in meiner Küche – Verzeihung, in Ihrer Küche – gemütlich gemacht und mir dieses nostalgische Gesülze von hausgemachter Suppe und selbstgebackenem Kuchen aufgetischt haben und wie Sie dabei insgeheim ….“, sie atmete bebend ein, „… insgeheim über mich gelacht haben müssen, weil Sie ja ganz genau wussten, dass das Haus jetzt Ihnen gehört, wovon ich allerdings keine Ahnung hatte.“
„Ich habe nicht über Sie gelacht“, widersprach er sofort.
„Ach nein? Und warum waren Sie dann nicht so anständig, mir offen und ehrlich zu sagen, dass Sie der neue Eigentümer sind?“
„Tatsächlich hatte ich daran gedacht“, gestand er widerwillig. „Aber eigentlich … war es nicht meine Sache.“
„Und warum nicht?“, hakte sie vorwurfsvoll nach. „Weil Sie zu sehr damit beschäftigt waren, mit mir zu flirten?“
Er zuckte die breiten Schultern. „Das spielte auch eine Rolle“, räumte er ein.
„Mit anderen Worten? Wollten Sie vielleicht herausfinden, wie weit sie bei mir kommen konnten, bevor Sie mit der Wahrheit herausrücken würden?“
„Lily!“, protestierte er, ehrlich erschrocken über das Ausmaß ihrer Empörung. Und außerdem musste er sich eingestehen, dass ihre heftige Reaktion ihn ziemlich anmachte, weil er es überhaupt nicht gewohnt war, dass eine Frau ihm irgendeinen Widerstand entgegenbrachte. „Ich hatte wirklich nicht erwartet, jemand hier im Haus vorzufinden. Das war nicht gelogen. Und als ich dann über Sie stolperte, nun ja …“ Ciro verstummte, denn er war es auch nicht gewohnt, einer Frau zu erklären, was er fühlte und dachte. Hatte Eugenia ihm nicht gerade das ständig vorgehalten, vor allem am Anfang ihrer Beziehung, als sie noch versucht hatte, die Frau zu werden, von der sie glaubte, dass sie seinem Wunschbild entsprach?
Doch Ciro konnte sich nicht entsinnen, dass ihn eine andere Frau je so bezaubert hätte wie Lily Scott. Sie schien all jene altmodischen Eigenschaften zu verkörpern, die er bislang vergeblich bei anderen Frauen gesucht hatte. Hatte nicht die Erinnerung an ihre klaren blauen Augen und ihre sexy Rundungen seit jener ersten Begegnung unaufhörlich in seinem Kopf herumgespukt?
„Was?“, drängte sie, als er immer noch schwieg. „Sie haben keine vernünftige Erklärung für Ihr Verhalten, stimmt’s?“
Unwillig schüttelte er den Kopf. „Wenn überhaupt, dann wäre es die Sache Ihrer Stiefmutter gewesen, Sie über den Verkauf aufzuklären.“
Wie auf ein Stichwort kam Suzy mit einem Tablett mit zwei Kaffeetassen und einem Teller mit Lilys köstlichen Ingwerkeksen zurück in den Salon. Anscheinend hatte sie die letzten Worte noch gehört, denn sie wandte sich Ciro vorwurfsvoll zu, als sie das Tablett auf den Tisch stellte. „Das ist nicht fair, Ciro. Es war schließlich eine Ihrer Bedingungen für den Kauf, dass ich Ihre Identität geheim halte.“
„Meine Identität, ja“, bestätigte er gereizt, denn er konnte sich nicht erinnern, ihr angeboten zu haben, ihn beim Vornamen zu nennen. „Aber ich habe Sie bestimmt nicht gebeten, über den Verkauf an sich zu schweigen. Kein Wunder, dass Lily gekränkt ist, wenn sie gerade erst erfahren hat, dass sie in wenigen Wochen kein Dach mehr über dem Kopf haben wird.“
Suzy zog einen Schmollmund. „Du meine Güte, das klingt fast, als wäre sie ein obdachloses Straßenkind aus einem Charles Dickens-Roman! Tatsächlich habe ich ihr sogar eine Unterkunft in meinem Stadthaus in London angeboten, aber das war ihr zu beengt.“
Jetzt hatte Lily wirklich genug. Angewidert stellte sie den Cognacschwenker mit ihrem nur halb getrunkenen Drink auf den Tisch. „Ich bin doch kein Gegenstand, den man einfach hin- und herschieben kann!“
„Der Gedanke, dass Sie aus Ihrem Zuhause vertrieben werden, gefällt mir gar nicht“, warf Ciro mitfühlend ein, denn er fand, dass Lily plötzlich beunruhigend zart und zerbrechlich aussah. „Und ich bin bereit, Ihnen in jeder Weise zu helfen.“
Stolz hielt Lily seinem Blick stand, auch wenn ihr das Herz bis zu Hals
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