Julia Extra Band 368
Augenblick lang überlegte Katie, ob es nicht doch besser wäre, das Täuschungsmanöver abzublasen. Die Vorstellung, die nächsten vier Tage doch nicht mit Howie zusammen sein zu müssen, war sehr verlockend. Andererseits würden die anderen Gäste sie dann für die alte Jungfer halten, die sie im Grunde auch war.
Obwohl das einundzwanzigste Jahrhundert bereits begonnen hatte und Frauen frei und unabhängig leben konnten, war es in der McCormick-Familie nach wie vor eine Katastrophe, wenn eine Frau mit knapp dreißig noch keinen Mann abbekommen hatte.
„Aber du bist doch eine Sportreporterin“, würde ihre Tante Tully wieder einmal sagen. „Da müsstest du doch massenhaft reiche und attraktive Männer treffen.“
Wenn es doch nur so einfach wäre. Katie liebte den Sport – die Wettbewerbe, die Höchstleistungen, zu denen man manchmal fähig war, die Spannung – doch die Athleten selbst fand sie nur wenig attraktiv. Vielleicht lag es daran, dass sie diese Männer in Extremsituationen erlebte. Es war vergleichbar mit einem Job in einer Restaurantküche. Wenn man jeden Tag dort arbeitete, hatte man keine Lust mehr, auswärts essen zu gehen.
Ein großer, dunkelhaariger Mann betrat die Lobby. Er war so außergewöhnlich attraktiv, dass sämtliche Frauen sich nach ihm umdrehten. Breite Schultern, lange, kräftige Beine, das blau gestreifte Hemd lässig in die Jeans gesteckt. Das Leben war einfach ungerecht! Wieso konnte Katie nicht so ein Exemplar an Land ziehen? Stattdessen stand sie hier und wartete auf Howard, den Nerd, der sich zu allem Überfluss auch noch verspätete.
Er machte irgendetwas in der Computerbranche – vielleicht hätte sie ihn per E-Mail an ihre Verabredung erinnern sollen?
„Katie?“
Der dunkelhaarige Fremde war vor ihr stehen geblieben. Ungläubig starrte Katie ihn an. Sein Gesicht war gleichmäßig, mit einem energischen Kinn und leuchtend grünen Augen hinter der modischen Brille.
Sie öffnete ihren Mund, um etwas zu sagen, brachte jedoch kein Wort heraus. Konnte das wahr sein?
„H…Howie?“
Der Mann lächelte, und es war ein so verführerisches Lächeln, dass sie fast leise aufgestöhnt hätte.
„Jackson“, korrigierte er sie. „Ich nenne mich seit Jahren bei meinem zweiten Vornamen. Jackson.“
Sahneschnitte wäre ein mindestens genauso passender Name gewesen, überlegte Katie und versuchte, ihre Gedanken zu sortieren. Er war viel größer als damals. Und kräftiger. Selbst sein Haar war perfekt.
„Howie?“, wiederholte sie ungläubig.
„Na komm schon, so sehr habe ich mich jetzt auch nicht verändert!“
Aber hallo!
„Du bist … ähm … groß geworden“, stammelte sie und hoffte, nicht so dämlich auszusehen, wie sie sich gerade fühlte.
„Genau wie du.“
Katie kräuselte ihre Nase. Nein, sie war während der letzten vierzehn Jahre eigentlich nicht mehr gewachsen. Allerdings hatte sie über zehn Kilo Gewicht verloren und gelernt, sich vorteilhaft zu kleiden und zu schminken. Obwohl sie sich nur durchschnittlich hübsch fand, beschwerte sie sich nicht, auch wenn sie es manchmal deprimierend fand, dass in ihrer Familie alle außer ihr schlank, groß und attraktiv waren. Warum musste gerade sie diese üppigen Rundungen haben?
„Naja, zumindest habe ich meinen Babyspeck verloren.“
Jackson sah sie aufmerksam an. „Deine Augen haben sich nicht verändert. Sie sind genauso schön wie damals. Ich kann mich noch gut an die Farbe erinnern.“
„Vermutlich, weil ich dich angestarrt habe.“
„Allerdings. Ich hatte furchtbare Angst, du würdest mich verhauen.“
„Du hast mich behandelt, als wäre ich eine Idiotin.“
„Ich wollte nur meine Unsicherheit überspielen. Tut mir leid. Damals war ich nun einmal so.“
„Das ist wohl der Nachteil, wenn man eine sechzehnjährige Intelligenzbestie ist.“
„Du konntest dich aber auch recht gut verteidigen.“
Katie lachte. „Ja, allerdings nur durch rohe Gewalt. Das ist eher peinlich.“
„Unsinn. Du warst beeindruckend. Und heute bist du eine berühmte Sportjournalistin?“
Hätte Katie gerade etwas getrunken, dann hätte sie sich vor Schreck verschluckt.
„Das ist völlig übertrieben. Hat meine Mutter dir das erzählt?“
Er nickte.
„Ich arbeite für die Lokalzeitung, die Fool’s Gold Daily Republic , und bin dort für die Sportredaktion verantwortlich. Das ist nicht gerade eine glänzende berufliche Karriere.“
„Du magst deinen Job. Das höre ich deutlich aus deinen Worten heraus. Und
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