Julia Extra Band 368
und lächelte.
Als sie vor Wochen an Bord gekommen war, hatte sie dafür keine Zeit gehabt, aber jetzt genoss sie den Anblick, während rundum die neuen Passagiere ihre Begeisterung kundtaten.
Die ersten Stunden, die das Kreuzfahrtschiff an der italienischen Küste entlangfuhr, fand sie immer am schönsten. Doch jetzt rief die Pflicht. Kiki strich sich die Haare aus der Stirn und machte sich auf den Weg zum Sanitätsbereich im Bauch des Schiffes. In den vier Monaten, die sie mittlerweile an Bord arbeitete, hatte sie ihren Lebensmut wiedergefunden, und dafür war sie dankbar.
Noch fünf Tage, dann wäre der Moment, auf den sie sich einmal so gefreut hatte, überstanden, und danach würde es noch einfacher werden.
Ein Deck tiefer versuchte Prinz Stefano Adolphi Augustus Mykonides nicht an das Schlimmste zu denken, während er seine bewusstlose Schwägerin in die stabile Seitenlage brachte. Erleichtert bemerkte er, dass ihre Lippen wieder eine normale Farbe annahmen, als sie freier atmen konnte.
Er hatte gehofft, dass Theros diese Woche mal ohne Probleme rumkriegen würde, da seine Frau Geburtstag hatte, aber offenbar ging das nicht. Er, Stefano, der ältere der beiden Söhne von Prinz Paulo von Aspelicus, einem kleinen, wohlhabenden Fürstentum im Mittelmeer, seufzte. Schließlich war es seine Schuld, dass sein Bruder sich – wieder einmal – danebenbenommen hatte.
Er warf Theros einen Blick zu. „Ruf im Schiffshospital an, und sag ihnen, dass wir einen Notfall haben“, wies Stefano ihn an.
Lautlos bewegte Theros die Lippen und stand wie erstarrt da, als er verständnislos zusah, wie seine Frau erneut blau anlief.
„Los!“, drängte Stefano. „Sag ihnen, dass sie eine allergische Reaktion auf Latex hat und Adrenalin braucht.“
Sein harscher Ton brachte Theros schließlich dazu, stolpernd aufzustehen und zum Telefon zu gehen, während Stefano sich mühte, Marla aus dem hautengen Gummianzug zu pellen. Ihr Atem kam stoßweise, und Stefano fluchte leise. Ein Glück, dass Theros wenigstens so geistesgegenwärtig gewesen war, ihn zu rufen.
Er musste ihr das gefährliche Kleidungsstück so schnell wie möglich ausziehen – ehe seine Schwägerin einen Atemstillstand erlitt –, aber das war gar nicht so einfach. Wenn er doch nur ein Skalpell hätte …
Zehn Türen entfernt lief Dr. Kiki Fender zur größten Suite an Bord und ging im Kopf durch, was sie über Latexallergien wusste. Eigentlich war sie für die Besatzung zuständig – nicht für die Passagiere – und hoffte inständig, dass ihr Chef dicht hinter ihr war, falls die Lage sich zuspitzte.
Sie wollte nicht gleich am Ablegetag einen Patienten verlieren, noch dazu einen mit königlichem Blut in den Adern – so etwas machte keinen guten Eindruck. Was für ein Pech, dass Will gerade bei einem Patienten war, als der Anruf gekommen war. So musste sie einspringen, bis er dazustoßen konnte.
Schnell hatte sie die üblichen Einmalhandschuhe gegen latexfreie ausgetauscht und sich vorgenommen, in Zukunft generell dazu überzugehen, da Allergien allgemein auf dem Vormarsch waren. Adrenalin hatte sie auch dabei, dazu den Epi-Pen, mit dem die Impfung im Notfall schneller ging.
Hoffentlich waren die Atemwege nicht schon völlig zu, bis ihr Chef mit dem Notfallkoffer da war.
Als die Tür geöffnet wurde, beachtete Kiki den verstörten Mann in glänzender schwarzer Gummiunterwäsche nicht und eilte auf die Frau am Boden zu. Ein zweiter Mann mit dunklen Haaren mühte sich gerade, ihr die hautengen Latexleggings abzustreifen.
Irgendetwas an ihm kam ihr bekannt vor, aber sie hatte jetzt keine Zeit, darüber nachzudenken. Die Frau war bereits bewusstlos, ihre Haut fleckig und gerötet.
Kiki kniete sich neben sie. „Atmet sie noch?“, fragte sie.
„Gerade eben.“
Kiki warf dem Mann einen besorgten Blick zu und hatte das Gefühl, einen Schlag in den Magen zu bekommen, als sie ihn erkannte.
Was, zum Teufel, hatte Stefano Mykonides auf ihrem Schiff zu suchen? Jetzt nicht, ermahnte sie sich und wählte eine geeignete Stelle, um der Frau das Adrenalin zu verabreichen. Dann suchte sie nach Anzeichen, ob die Atmung sich verbesserte. Meist erholten Allergiepatienten sich bei dieser Art der Behandlung erstaunlich schnell, weil das Medikament die allergische Reaktion sofort unterband.
Aber ein kleiner Teil ihres Gehirns war auch mit dem Gedanken beschäftigt, dass der Stefano, den sie kannte, keinen Dreier mit einer Mieze im Gummianzug gebraucht
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