Julia Extra Band 369
noch lange nicht über Dominics Verlust hinweg, aber endlich spürte sie, dass das Leben auch ohne ihn weitergehen würde. Weitergehen musste.
Und das bedeutete zugleich, dass es nun Zeit war, sich über ihre Gefühle für Cayo klar zu werden.
„Bin ich denn wirklich so schrecklich?“, hatte er sie vor langer Zeit an jenem Abend in Cádiz gefragt. Das Restaurant war gut besucht gewesen und um sie herum hatte eine lebhafte Atmosphäre geherrscht. Seine braunen Augen hatten so traurig ausgesehen, dass Dru ganz schwindelig davon geworden war. Ja, diese Nacht war magisch gewesen, und sie hatten es beide gespürt.
„Hm, Sie sind schon ein wenig stolz auf Ihren harten Führungsstil, oder irre ich mich etwa?“, hatte Dru mit einem Augenzwinkern erwidert. „Ich meine, schließlich haben Sie einen Ruf zu verlieren.“
In seinem Blick hatte ein sanftes Lächeln gelegen. „Nun, Sie werden es nicht glauben, aber auch ich habe eine weiche Seite, die nur darauf wartet, entdeckt zu werden.“
„Mag sein“, hatte sie daraufhin lachend geantwortet. „Vielleicht sollte ich mal meine Lupe rausholen.“
„Nur zu“, hatte er mit einem Schmunzeln erwidert.
Und mit einem Mal war Dru ganz warm ums Herz geworden. Alles hatte sich so richtig angefühlt. Richtiger als alles andere auf der Welt. Er hatte sich zu ihr gebeugt und ihr leise ins Ohr geflüstert: „Was würde ich nur ohne Sie tun?“
Dru war sich sicher, was er jetzt ohne sie tat. Sie sah hinauf in den blauen Himmel und genoss die Umgebung, die genauso paradiesisch war wie zuvor. Auch ohne Cayo. Wahrscheinlich, dachte sie, ist er jetzt wieder der schreckenerregende Cayo Vila, der nur darauf aus ist, rücksichtslos seinen Besitz zu vergrößern.
Und dennoch vermisste sie ihn. Seine Abwesenheit fühlte sich seltsam an. Und es wurde auch im Verlauf der Tage nicht besser.
Auf dem Rückflug nach London saß Dru auf ihrem schmalen Sitz, eingeengt zwischen zwei anderen Passagieren, und blätterte im Bordmagazin. Auf der letzten Seite war ein großes Foto von Cayo abgebildet.
Ich kann das nicht, dachte sie, während sie sein Bild betrachtete und gegen die aufsteigenden Tränen ankämpfte. Nein, sie konnte sich kein Leben vorstellen, in dem er für sie nur in einer Zeitung auftauchte. Oder im Fernsehen. Weit weg und unerreichbar.
Sie hatte ihn so geliebt. Und sie liebte ihn auch jetzt noch, wie sehr sie sich dagegen auch wehrte. Nein, sie konnte nichts dagegen tun, dieses Gefühl war einfach stärker als sie.
Zurück in ihrem kleinen Apartment versuchte Dru sich einzureden, dass sie glücklich darüber sein konnte, dass ihr nun wieder alle Möglichkeiten offenstanden. Sie war frei und ungebunden. Jetzt musste sie sich nur für irgendeinen neuen Weg entscheiden, auch beruflich. Doch das war gar nicht so einfach, stellte Dru schnell fest, denn alles erschien ihr plötzlich sinnlos.
Außerdem musste sie ständig an Cayo denken. Auch jetzt. Dabei sah sie ihn förmlich vor sich, wie er direkt neben ihrem kleinen Kühlschrank stand und zu ihr herüberschaute. Dunkle bernsteinfarbene Augen. Sein markantes Gesicht. Diese ruhelose Ausstrahlung, die von ihm ausging. Sie konnte seine imaginäre Anwesenheit fast fühlen: seine Hände auf ihrer Haut, sein Lächeln, seine Küsse. Und schon loderte wieder diese Flamme der Leidenschaft in ihr auf.
War es denn wirklich so wichtig, aus welchen Beweggründen er sie wollte? Unruhig grübelnd lief Dru in ihrer kleinen Küche auf und ab. War es nicht viel wichtiger, dass er sie überhaupt wollte? Sie wünschte, er hätte sie auf Bora Bora angelogen und ihr gesagt, dass er sie brauchte und liebte – nicht nur als seine Assistentin. Zwar hätte sie ihm das vermutlich nicht ganz geglaubt, aber sie hätte es zumindest versucht. Ja, ganz bestimmt sogar.
Aber sie konnte ihn doch unmöglich heiraten, wenn er sich nicht einmal die Mühe machte, zumindest so zu tun, als würde er sie lieben? Es war wie eine unsichtbare Grenze, die Dru davon abhielt weiterzugehen.
„Eine Frau sollte gewisse Standards haben und sich nicht unter Wert verkaufen“, sagte Dru leise zu sich selbst. Oder reicht das bisschen, was er mir an Zuneigung geben kann, vielleicht schon aus? Dru schüttelte den Kopf über sich selbst, denn jetzt verhielt sie sich schon wie ihre Mutter, und so hatte sie nie werden wollen. Warum suchte sie nach Argumenten, die für einen Mann sprachen, der sie nicht liebte?
Doch in einem Punkt unterschied sie sich doch. Denn es ging ihr nicht
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