Julia Extra Band 369
Beduinen sehr wichtig. Es wäre inakzeptabel, einem Gast nicht die gebührende Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.“
„ Inakzeptabel scheint eins deiner Lieblingswörter zu sein.“
Ein Lächeln schien seine Lippen zu umspielen, doch sie war sich nicht sicher. Asad war so viel ernster als damals.
„Unser Lebensstil hat eine jahrtausendealte Tradition. Manche Dinge sind unumstößlich.“
„Aber dein Zuhause ist anscheinend nicht so traditionell.“
„Nein.“
„Du hast keine Angst vor Veränderungen.“
„Stimmt. Aber ich suche sie nicht um ihrer selbst willen.“
„Du möchtest eure Traditionen für die nächsten Generationen bewahren.“
Asad verstärkte seinen Griff. „Du verstehst mich. Das hast du schon immer getan.“
„Nein“, wehrte Iris ab. Wäre es damals der Fall gewesen, hätte sie nie geglaubt, ihre Beziehung könne von Dauer sein.
„Vielleicht hast du mich besser verstanden als ich mich selbst.“
„O nein. Das Thema ist tabu.“ Wieder versuchte sie, ihre Hand zurückzuziehen, doch er hielt sie fest.
„Keine Angst, habibti . Wir vertagen das Thema Freundschaft auf später.“
Wenn er doch nur von Freundschaft gesprochen hätte! Sie hatte sich mit Russell angefreundet, gleich nachdem er sein Praktikum begonnen hatte. Doch wenn er an die Universität zurückkehrte und der Kontakt zwischen ihnen einschlief, wäre sie nicht am Boden zerstört.
Es würde ihr nicht so gehen wie nach der Trennung von Asad.
„Benutz das Wort mir gegenüber bitte nie wieder. Für dich ist es vielleicht nur ein beiläufiges Kosewort, aber für mich nicht. Und du wirst nie begreifen, wie verletzt ich war, als ich erfahren habe, dass es dir überhaupt nichts bedeutet.“
„Wie bitte?“, meinte er verständnislos und blieb stehen. „Was hat dich so aufgebracht?“
Dass er es nicht wusste, sagte eigentlich alles.
„ Habibti. Nenn mich gefälligst nicht so. Wenn du es wieder tust, reise ich ab. Das verspreche ich dir.“ Ihr war klar, wie seltsam es klingen musste, doch sie würde standhaft bleiben.
Ein schockierter Ausdruck huschte über sein Gesicht, bevor Asad sich wieder im Griff hatte. „Du würdest deine Karriere wegen eines einzigen Wortes aufs Spiel setzen?“
„Allerdings.“
Dieses eine Wort symbolisierte den ganzen Schmerz, der sie damals förmlich zerrissen hatte. Es bedeutete Geliebte , aber Asad hatte es überhaupt nicht so gemeint. Jedes Mal, wenn er sie so genannt hatte, hatte sie geglaubt, er würde damit seine Liebe offenbaren.
Asad und sie standen mitten auf einem Weg, der zwischen den Zelten hindurchführte. Zahlreiche Menschen gingen an ihnen vorbei, doch niemand blieb stehen, um mit dem Scheich zu plaudern. Offenbar nahmen alle die unterschwellige Spannung zwischen ihnen wahr.
„Ich soll dich also nicht habibti nennen, aber sicher …“
„Nein. Versprich es mir, oder ich gehe jetzt und packe meine Sachen.“
„Deine Vorgesetzten wären darüber nicht besonders erfreut.“
„Wahrscheinlich würden sie mich feuern.“
„Und trotzdem würdest du das Land verlassen?“
„Ja.“ Es kümmerte sie nicht, ob er sie verstand. „Sind wir uns da einig?“
Nach einigen spannungsgeladenen Sekunden erwiderte er: „Ich werde das Kosewort nicht mehr benutzen, bis du es mir erlaubst.“
„Das wird nie der Fall sein.“ Davon war sie fest überzeugt.
„Wir werden sehen.“
„Asad …“
„Nein. Wir hatten heute genug Aufregung. Ich werde dir mein Zuhause in der Wüste zeigen, und du wirst dich in die Sha’b Al’najid verlieben, wie es so viele vor dir getan haben.“
Und dann würde es ihr das Herz brechen, die Menschen zu verlassen. Aber das war bei diesem Mann ja nicht anders zu erwarten.
Iris nickte. „Gut.“
Dann zeigte er ihr das Gemeinschaftszelt, auf das er so stolz war. Selbst jetzt, um die Mittagszeit, hielten sich viele Bewohner dort auf. Einige sahen sich ein Tennismatch auf dem großen Bildschirm an, während andere traditionelleren Tätigkeiten wie zum Beispiel Brettspielen nachgingen.
„Hier treffen sich also die Touristen?“ Iris versuchte die Wirkung zu ignorieren, die seine Nähe auf ihren Körper ausübte.
Es war nicht fair, dass sie selbst nach all den Jahren immer noch genauso stark auf ihn reagierte. Aber Asad hatte recht. Sie hatten an diesem Tag genug Aufregung gehabt, und deshalb verdrängte sie diese Gefühle.
„Normalerweise schon. Momentan haben wir allerdings keine Gäste.“
„Warum nicht?“
„Die letzte Gruppe ist
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