Julia Extra Band 369
verhält sich loyal und hat Caterina ihre Seitensprünge nicht in gleicher Münze heimgezahlt.“ Er lächelte grimmig. „Ich selbst akzeptiere Caterina nur deshalb, weil ich andernfalls meinen besten Freund verlieren würde. Verstehst du das?“
Cherry nickte.
„Es ist eine ungeheuerliche Anmaßung von Caterina, sich zu deinem Besuch in der Casa Carella zu äußern, das steht ihr einfach nicht zu. Bitte tu mir einen Gefallen, Cherry, und vergiss euer Gespräch.“ Vittorio nahm ihre Hände und legte sie auf seine Brust. „Bitte versprich es mir. Es ist ungeheuer wichtig.“
Cherry war überzeugt, die Szene mit Caterina bis ans Lebensende nicht vergessen zu können, dennoch nickte sie erneut.
„Braves Mädchen.“ Er küsste sie – leider brüderlich und viel zu kurz. Dann hakte er sie ein und führte sie zurück zum Haus.
„Und jetzt lass uns endlich frühstücken.“ Für ihn waren alle Probleme beseitigt, das zeigte sein zufriedenes Lächeln.
Cherry dagegen war ganz anderer Meinung, ihr schienen die Probleme erdrückender denn je. Caterina hatte Vittorio für wahre Liebe verdorben. Aus den Erfahrungen mit ihr hatte er die Lehre gezogen, sich lediglich auf kurzfristige erotische Abenteuer einzulassen. Das verpflichtete ihn zu nichts, ermöglichte es ihm jedoch, sich unbeschwert zu amüsieren und seinen sexuellen Appetit zu stillen. Und das Schlimmste: Die unglückliche Ehe zwischen Lorenzo und Caterina bestärkte ihn auch noch in dieser Lebensphilosophie.
Wäre sie in der Lage gewesen, seine Einstellung zu akzeptieren, hätte sie die nächsten Wochen in vollen Zügen genießen können. Es gab bestimmt unzählige Frauen, die damit nicht die geringste Schwierigkeit gehabt hätten. Doch Cherry war anders.
Wenn sie liebte, dann ganz, nicht nur mit dem Körper, sondern auch mit dem Herzen. Das war schon immer ihre Einstellung gewesen, und daran würde sich auch nichts ändern – leider, denn es ließ ihre Zukunft düster erscheinen.
Welche Ehe war schon auf Dauer glücklich?
Bei Vittorio und ihr kam erschwerend hinzu, dass sie nicht nur aus verschiedenen Kulturen, sondern auch aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten stammten. Vittorio gehörte zu den ganz Reichen und sah aus wie ein Filmstar. Sie dagegen war lediglich die unauffällige Cherry Gibbs aus kleinen Verhältnissen.
Doch wohin verirrten sich ihre Gedanken? Von Ehe hatte Vittorio nicht gesprochen, er war lediglich auf eine Affäre aus. Und auch da hätte sie ihn nur enttäuscht, selbst wenn sie sich darauf eingelassen hätte. Mit ihren nicht vorhandenen sexuellen Erfahrungen war sie die völlig falsche Frau für einen heißen Flirt.
Vittorio drückte ihren Arm fester. „Morgen zeige ich dir die Grotte von Castellana“, verkündete er gut gelaunt. „Das ist nur der Anfang, die kommende Woche stehen dann noch andere Sehenswürdigkeiten auf dem Programm, die ich dir unbedingt zeigen möchte. Wir werden viel gemeinsam unternehmen, mia piccola , du und ich.“
„Das … das ist wirklich nicht nötig“, sagte sie mühsam.
„Für mich schon.“ Strahlend lächelte er sie an. „Ich weiß, du traust mir nicht, aber ich werde dich umwerben, bis deine traurigen Augen vor Glück glänzen.“
„Mich umwerben?“ Entsetzt sah sie ihn an. „Ich bin nur hier, um Sophia zu helfen, das hatten wir ausdrücklich vereinbart. Ich wünsche nicht …“
„Dann überlass das Wünschen mir, ich übernehme die Aufgabe gern für uns beide.“
Im nächsten Moment hatte er sie in die Arme gezogen und küsste sie erneut, diesmal nicht wie ein Bruder, sondern wie ein stürmischer Liebhaber. Als er schließlich den Kopf hob, bebte Cherry am ganzen Körper.
„Du … du hast unsere Abmachung gebrochen!“, warf sie ihm vor. „Wir wollten Freunde sein, Küsse hatten wir ausdrücklich für tabu erklärt.“
Er lachte nur. „Das war die ursprüngliche Abmachung. Da sie veraltet ist und nicht mehr der Situation entspricht, gilt jetzt eine neue. Du kannst einem Mann, der kurz vor dem Verdursten steht, das Wasser nicht völlig entziehen. Um zu überleben, braucht er wenigstens ab und zu einen Schluck von dem Leben spendenden Nass.“ Er fasste sich ans Herz.
Ob sie wollte oder nicht, über diese melodramatische Pose musste Cherry einfach lächeln.
Mit seiner Strategie zufrieden, erwiderte Vittorio das Lächeln. Es war das zuversichtliche Lächeln eines Siegers.
11. KAPITEL
Die Wochen vergingen wie im Fluge, von kleineren Katastrophen abgesehen
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