Julia Extra Band 369
hatte die Organisation bestens geklappt, Haus und Kirche waren geschmückt und das Festzelt im Garten aufgebaut. Morgen sollte die Hochzeit sein.
Der Tradition folgend hatten Santos Eltern mittags ein festliches Essen gegeben, bei dem der Verlauf der Feier noch einmal genau besprochen wurde, nachmittags dann war das Kinderkarussell buchstäblich in letzter Minute geliefert worden.
Obwohl Sophia inzwischen nicht mehr unter Übelkeit litt, hatte sie sich gewünscht, allein in ihrem Zimmer zu Abend zu essen. Nach all der Hektik wollte sie zur Ruhe kommen und sich auf ihren großen Tag einstimmen.
Der Tisch wurde also für Cherry und Vittorio allein gedeckt.
Als Cherry das Speisezimmer betrat, stand Vittorio an der Anrichte und öffnete gerade eine Flasche Wein. Wie immer, wenn sie ihn sah, klopfte Cherry das Herz bis zum Hals. Sie war sich immer noch unsicher, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte.
Einerseits hoffte sie, er würde sie bitten, auch nach dem Fest noch etwas zu bleiben, andererseits war sie entschlossen, eine solche Bitte abzulehnen.
Als er ihr den Stuhl zurechtrückte und ihr ein Glas Wein reichte, rang sie sich ein Lächeln ab. „Auf morgen“, meinte sie und prostete ihm zu. „Auf Sophia und Santo!“
„Auf Sophia und Santo!“, wiederholte er und stieß mit ihr an. „Und auf dich. Ohne deine Hilfe wäre das alles nicht möglich gewesen.“
In seinem grauen Seidenhemd und den schwarzen Jeans sah Vittorio einfach verführerisch aus. Am liebsten hätte Cherry sich ihm an den Hals geworfen und ihn bis zur Besinnungslosigkeit geküsst. Das war natürlich unmöglich. Hastig trank sie einen großen Schluck Wein, um ihre Gedanken wieder in geordnete Bahnen zu lenken.
„Du brauchst dich bei mir nicht zu bedanken, Vittorio, für mich waren die Wochen in der Casa Carella eine herrliche Zeit. Die Hochzeit zu organisieren hat mir einen Riesenspaß gemacht, und dank deiner Begleitung habe ich mehr von Apulien gesehen, als es mir alleine je möglich gewesen wäre.“
„Auch ich habe durch dich viel Neues gelernt. Für mich alltägliche Dinge durch deine Augen zu sehen war eine ungeahnte Bereicherung. Du bist einfach bezaubernd, Cherry“, fügte er mit rauer Stimme hinzu.
Leider nicht bezaubernd genug, dachte sie bitter, riss sich jedoch sofort wieder zusammen. Sie wollte sich den Erfolg, vier Wochen lang ihr Gefühlschaos hinter einem höflich charmanten Benehmen versteckt zu haben, nicht noch am letzten Abend verderben.
Manchmal hatte sie gehofft und vermutet, sie bedeute Vittorio doch mehr als all die Frauen, denen er in den letzten Jahren seine Gunst geschenkt hatte. Doch wenig später war er wieder kalt und abweisend gewesen – besonders, wenn sie allein waren.
Das waren sie jetzt zwar auch, doch diesmal wirkte Vittorio alles andere als reserviert. Cherry schluckte. Er begehrte sie, das stand ihm im Gesicht geschrieben.
Ihr ging es leider nicht anders, und die Chancen, klaren Verstand zu bewahren, standen nicht gut. Noch nie hatte Cherry ein so starkes sexuelles Verlangen gespürt – eine solch magische Anziehungskraft zwischen Mann und Frau hatte sie bislang immer für eine Erfindung aus irgendwelchen Romanen gehalten. Jetzt wusste sie es besser.
„Cherry, was ist los mit dir?“ Vittorios Stimme klang zärtlich und leise.
„Nichts.“ Sie schüttelte den Kopf, ihre dunklen Gedanken konnte sie dadurch nicht verscheuchen.
Für Vittorio war sie eine durchtriebene Frau, die auf einen reichen Ehemann aus war – das hatte Cherry von Anfang an vermutet, und Caterinas gemeine Bemerkungen hatten den Verdacht erhärtet. Andererseits erschien ihr die Theorie absurd, weil er sich ihr gegenüber überraschend einfühlsam und verständnisvoll verhielt. Seine Motive waren für sie undurchschaubar – der Mann war ihr ein Rätsel.
So fiel das letzte gemeinsame Abendessen mit Vittorio ganz anders als erwartet aus, nämlich wortkarg und in gespannter Atmosphäre. Es war allein ihre Schuld, das sah Cherry ein, doch zu lachen und zu scherzen und sich unbeschwert zu geben war ihr einfach unmöglich.
Als das Dessert serviert wurde, war die Stimmung auf einem absoluten Tiefpunkt angelangt, denn auch Vittorio hatte sich inzwischen in sein Schneckenhaus zurückgezogen. Keine Spur mehr von dem charmanten Herzensbrecher, seine Miene wirkte abweisend, seine Gesten waren hölzern und seine Antworten einsilbig.
Nachdem Rosa endlich den Espresso gebracht und sich für den Abend verabschiedet hatte,
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