Julia Extra Band 370
Unterstützung von Lesern, Medien und Sponsoren hatte sie überwältigt. Und nicht lange danach hatte ihr ein Reisebüroinhaber, der ihr helfen wollte, die Liste zu Ende zu bringen, ein Flugticket zugeschickt.
„Bei beiden noch übrig gebliebenen Wünschen auf Ihrer Liste kann ich nicht helfen“, hatte er geschrieben und damit den Wunsch ihrer Mutter gemeint, ihr Enkelkind im Arm zu halten, „aber ich kann Sie nach Nepal schaffen.“
Zehn Tage lang in Flugzeugen, Bussen und dann auf ihren eigenen Füßen – und jetzt war sie hier.
Fünftausendvierhundert Meter über dem Meeresspiegel. Und das nannten sie „Basislager“? Shirley hob die Augen zum Gipfel des Bergs. Obwohl sie schon mehr als die Hälfte des Wegs nach oben hinter sich hatte, wurde der Everest nur immer größer. Selbst mit den Akklimatisationstagen hatte es sie fast umgebracht, bis zum Basislager zu kommen. Sie konnte sich nicht einmal vorstellen, wie es wäre, auf den Gipfel des Everest zu steigen.
Die Zelte vor ihnen sahen in der eindrucksvollen Landschaft wie Pickel aus. Bei dem Bild lachte Shirley laut auf, und ihr Bergführer warf ihr wieder einen besorgten Blick zu.
„Ausruhen“, befahl er.
Sie sah sich um, während er den Yak versorgte, der ihre sehr kleine Ausrüstung trug – Rucksack, Zelt und Verpflegung. Sie hatte das Tier ziemlich liebgewonnen. Erst auf halbem Weg zum Basislager war ihr aufgegangen, dass der Yak eigentlich für sie war, wenn sie ohnmächtig wurde. Damit der Sherpa sie wieder nach unten schaffen konnte, ohne sie selbst tragen zu müssen.
Zwar war sie wacklig auf den Beinen, aber sie stand zumindest noch. Und sie hatte den Zugang zum Basislager erreicht.
Wegen der Höhe litt Shirley an Atemnot, und sie tat ihr Bestes, ihre Lungen nur halb zu füllen, wie es ihr der Sherpa gezeigt hatte. An die Schwindelanfälle hatte sie sich inzwischen gewöhnt, auch an die schwarzen Flecke am Rand ihres Gesichtsfelds. Und daran, dass sie wegen des Sauerstoffmangels im Blut alles langsam machen musste.
„Shirley?“
Als sie ihren Namen hörte, drehte sie sich um. Eine reine Reflexbewegung. Sinnestäuschungen waren noch etwas, woran sie sich gewöhnt hatte. Aber jetzt spielte ihr zum ersten Mal ihr Gehör einen Streich.
Nur tat es das gar nicht.
Hayden stand vor ihr, in orangeroter Trekkingkleidung, seine Sonnenbräune noch dunkler als sonst.
Ihre Atmung wurde schneller. Die schwarzen Flecke breiteten sich aus. Instinktiv streckte sie die Hand nach ihrem Bergführer aus.
Und dann wurde Shirley ohnmächtig.
Ein sanftes Streicheln brachte sie wieder zu Bewusstsein. Shirley öffnete die Augen und blickte Hayden an, der neben ihr in die Hocke ging. Den echten. Nicht den Hayden ihrer täglichen Fantasien und fieberhaften nächtlichen Träume. Trotz des Sauerstoffmangels war sie noch imstande, logisch zu denken.
„Du hast das Flugticket geschickt.“
„Ich habe deinen Blog gesehen. Ich wollte deinen Mut belohnen. Es war das Einzige, was ich tun konnte.“
„Die meisten Leute würden Blumen schicken.“
„Ich bin nicht die meisten Leute“, zitierte Hayden sie lächelnd. „Ich musste etwas finden, was dramatischer und schwieriger ist.“
„Typisch.“ Shirley sah sich um. „Wo bin ich?“
„Im Krankenzelt.“
„Hast du mich getragen?“ Bitte nicht. Ohnmächtig zu werden war schon peinlich genug.
„Du hattest einen Yak.“ Hayden lachte über ihre entsetzte Miene. „Die Höhe setzt mir auch zu. Ich hätte es nicht geschafft, dich bis hierher zu tragen.“
„Also hast du mich mit dem Po nach oben über den Yak gehängt?“
„So ungefähr“, gab Hayden zu. „Übrigens, dir fehlt nichts. Du hast nur zu schnell geatmet.“
„Warum ich hier gelandet bin, interessiert mich nicht. Mich interessiert, wie ich hier gelandet bin.“
„Shirley …“ Er lächelte sie an. Sein sanfter Gesichtsausdruck sprach Bände.
Ihre Empörung verschwand. Was machte er überhaupt hier? Sie fragte ihn.
„Ich habe auf dich gewartet.“
„Du wusstest, dass ich komme?“
„Ich wusste, dass du das Ticket nutzen würdest.“
„Wieso bist du vor mir da gewesen? Hubschrauber?“
Hayden wurde rot. „Ja.“
„Und warum bist du hier?“
„Ich musste dich sehen.“
„Du hast meine Adresse.“
„Ich musste dich weit weg von zu Hause sehen, an einem magischen Ort.“
Shirley geriet schon wieder außer Atem. War es die Höhe? Oder einfach ihre übliche Reaktion auf Haydens Nähe? „Warum?“
„Weil …“
Sie
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