Julia Extra Band 371
seinen bisherigen Traum aufzugeben?
Um einem neuen zu folgen?
„Ich habe noch nie so Weihnachten gefeiert“, bemerkte Callie und betrachtete bewundernd die schön gedeckte Tafel, die von einem Ende des Festzelts bis zum anderen reichte.
Schneeweißes Leinen, funkelnde Kristallgläser, feines Porzellan und schimmerndes Silberbesteck, als Schmuck Vasen, die mit Christbaumkugeln gefüllt waren und kleine, mit Flitter bestreute Kränze – ja, das war ein ausgesprochen festlicher Anblick.
„Mum hatte das Kommando. Sie ist ein echter Weihnachtsfan.“ Archer wies nach oben, wo Mistelzweige an strategisch günstigen Punkten aufgehängt waren. „Jedes Jahr verfällt sie in einen wahren Dekorationsrausch.“
„Ich finde es schön“, meinte Callie rau. „Du hast Glück.“
„Wie feierst du denn üblicherweise?“, fragte er und nahm sie bei der Hand.
„Still und bescheiden.“
Seit es mit ihrer Mutter immer schneller bergab ging, machten sie nicht einmal mehr Ausflüge an Weihnachten. Sie bestellten zur Feier des Tages thailändisches Essen und Schokoladenkuchen aus Melbournes bester Konditorei, hörten Weihnachtslieder vom iPod – und zwangen sich, fröhlich zu wirken, obwohl ihnen nicht danach zumute war.
Meist schenkten sie sich etwas Praktisches. Dieses Jahr hatte Callie ein E-Book gewählt, weil es sich mit einer Fingerspitze quasi umblättern ließ, und eine besonders reichhaltige Creme für die papierdünne Haut ihrer Mutter, dazu natürlich noch deren Lieblingspralinen.
„Wahrscheinlich ist es nicht leicht zu feiern, so krank wie deine Mutter ist“, bemerkte Archer einfühlsam.
„Stimmt“, erwiderte sie brüsk.
Sie hätte das Thema nicht anschneiden sollen. Damit verdarb sie sich noch den letzten gemeinsamen Abend.
„Du willst nicht darüber reden?“, hakte er nach.
„Richtig. Ich möchte mich lieber auf dieses Fest hier konzentrieren.“ Impulsiv küsste sie ihn auf die Wange. „Danke, dass du mich erpresst hast, dich zur Hochzeit deines Bruders zu begleiten!“
„Ja nun, manchmal muss man eben tun, was man tun muss“, kommentierte er und sah leicht schuldbewusst aus.
Sie jedenfalls wollte den heutigen Abend in vollen Zügen genießen: tanzen, trinken und fröhlich sein. Dann würde sie mit Archer eine absolut unvergessliche Nacht verbringen und Erinnerungen sammeln wie einen Schatz.
Auf Capri war das Ende unerwartet gekommen. Hier war ihr von Anfang an klar gewesen, dass die Affäre nur wenige Tage dauern würde.
Trotzdem war sie über diese froh und bereute nichts. Sie hatte entdeckt, dass Archer ganz anders war, als sie damals geglaubt hatte. Er war fürsorglich und einfühlsam, auch er hatte wunde Punkte wie jeder Mensch. Seine verborgenen Qualitäten zu entdecken hatte natürlich dazu geführt, dass sie sich wieder heftig in ihn verliebte.
„Du kannst mir deinen Dank sofort abstatten“, meinte Archer nun vielsagend und legte ihr den Arm um die Taille. „Schau mal nach oben.“
Callie tat es. „Ja, da sehe ich das Gerüst des Festzelts und die …“
„Mistelzweige“, ergänzte er bedeutsam und neigte sich zu ihr.
Dann küsste er sie so leidenschaftlich und innig, dass sie sich atemlos an ihm festhalten musste, um nicht umzusinken.
Lauter Applaus riss sie schließlich aus der Versunkenheit. Sie errötete, aber Archer führte sie ganz selbstverständlich zum Kopf der Tafel, wo die Familie Platz nahm. Als er ihr den Stuhl zurechtschob, spürte sie plötzlich brennende Sehnsucht. Danach, zu einer Familie wie dieser zu gehören. Umgeben zu sein von Liebe und Lachen. Das hatte sie nie gekannt, und sie hatte es noch nie so vermisst wie in diesem Augenblick.
„Du wirkst irgendwie geistesabwesend“, bemerkte Archer plötzlich. „Alles in Ordnung?“
„Ja, alles bestens!“ Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.
„Wann willst du mich endlich dieser umwerfenden Frau vorstellen?“, mischte sich der blonde junge Mann neben Archer ins Gespräch.
„Sofort. Callie, das ist mein Cousin Jonesy.“ Archer legte besitzergreifend den Arm auf die Lehne ihres Stuhls. „Jonesy, das ist meine Freundin Callie.“
„Sie sehen echt toll aus“, meinte Jonesy bewundernd, fragte dann aber gleich Archer nach den Bedingungen der kommenden Saison.
Callie war das recht. Archer hatte sie als seine Freundin bezeichnet, und das war zwar richtig, aber es klang distanziert, nach allem was zwischen ihnen gewesen war.
Es war also wieder so wie in Capri: Sie wünschte sich, dass ein
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