Julia Extra Band 371
war das Holz der mächtigen Eichentür. So konnte sie sich unmöglich bemerkbar machen. Mit aller Kraft versuchte sie ein letztes Mal, den eisernen Glockenring zu ziehen – doch wieder ohne Erfolg. Kopfschüttelnd trat sie einen Schritt zurück und klopfte sich den Rost von den Händen.
„Buon giorno!“
Erschrocken wirbelte Josie herum. Der Anblick des Mannes, der aus der gleißenden Sonne direkt auf sie zukam, ließ sie für einen Augenblick in ihrer Bewegung erstarren. Sein Gang war so geschmeidig wie der einer Raubkatze. Und sein dichtes schwarzes Haar, zusammen mit den leuchtenden Augen, der gebräunten Haut und dem weißen Tennis-Outfit ergaben eine umwerfende Kombination. Aber wahrscheinlich war ihm das nur allzu deutlich bewusst. Im Gegensatz zu ihrer eigenen staubigen Reisekleidung wirkte an ihm alles so brandneu, wie direkt aus dem Katalog bestellt. Und sogar der Profi-Tennisschläger in seiner rechten Hand sah aus, als wäre mit ihm noch nie ein Ball geschlagen worden. Dafür aber jede Menge Gänseblümchen, stellte Josie amüsiert fest.
Ob seine Freundin die in die Saiten hineingeflochten hatte? Josie sah sich verstohlen um. Wollte dieses Prachtexemplar von Mann wirklich zu ihr? Oder stand vielleicht noch irgendjemand Glamouröses in ihrer Nähe? Doch der Hof lag still und verlassen da. O Wunder, er meint wirklich mich!
Als er im nächsten Moment vor ihr stand, wusste Josie sofort, wer er war. Die Ähnlichkeit mit seiner Schwester Antonia war unverkennbar: die gleichen sanften braunen Augen unter schön geschwungenen, dunklen Brauen. Dies war also ihr Gastgeber.
„Erlauben Sie mir, mich vorzustellen. Ich bin Conte Dario di Sirena.”
Seine Stimme klang wunderschön in Josies Ohren und erinnerte sie an flüssigen Honig. Galant griff Dario nach ihrer Hand und hauchte einen Kuss darauf.
Josie fühlte sich völlig überrumpelt. „Warum sind Sie nicht im Bett?“, platzte es aus ihr heraus.
Dario zog seine Brauen hoch. „Soll das etwa eine Einladung sein?“
Peinlich berührt zog Josie hastig ihre Hand zurück und lief knallrot an. Auweia, das fing ja gut an!
Doch Dario lächelte und überging ihre ungeschickte Frage. „Sie müssen Josie sein, habe ich recht?“
„Dr. Josephine Street, ja.“ Josie bemerkte selbst, dass sie schroffer klang als beabsichtigt. Aber das Kennenlernen neuer Leute war ihr noch nie leichtgefallen. Erst recht nicht, wenn diese auch noch so unverschämt attraktiv waren.
„Dr. Josephine Street, das klingt aber sehr offiziell und förmlich.“ Mit einem Augenzwinkern sah er sie an, aber Josie war viel zu aufgeregt, um auf seinen kleinen Flirt einzugehen.
„Ich bin ja auch ganz offiziell hier.“
„Nun, wie dem auch sei. Es ist mir das größte Vergnügen, Sie als Gast in meiner bescheidenen Hütte begrüßen zu dürfen.“ Er verneigte sich mit gespielt feierlichem Ernst und richtete sich dann wieder vor ihr auf. Obwohl sie nicht einmal ansatzweise auf seinen kleinen Spaß einging, lächelte er.
Josie wusste, dass sie ihre Schüchternheit hinter einer Maske vorgetäuschter Souveränität verbergen konnte, und so reckte sie das Kinn und hielt seinem Blick möglichst kühl stand. Aus den Geschichten, die ihr Antonia von ihm erzählt hatte, wusste sie, dass Dario ein Mann war, den nichts so schnell aus der Ruhe brachte. Es waren dieselben Geschichten, die sie später im Internet nachgelesen hatte. Und weder die Klatschpresse noch ihre Freundin hatten übertrieben. Seine aristokratische Herkunft, sein blendendes Aussehen und sein Charme machten all diese Storys nur allzu wahrscheinlich. Zugleich strahlte er eine innere Stärke aus, die man weder mit Reichtum noch Macht kaufen konnte. Dario und Antonia, ihre fröhlich und rundliche Freundin, waren wie zwei verschiedene Seiten einer Medaille, erkannte Josie. Ohne Zweifel war er der bestaussehende Mann, der ihr je begegnet war. Und die Art und Weise, wie er sie ansah, hatten eine verheerende Wirkung: Sie fühlte sich von ihm wie auf ein Podest gehoben.
Es kostete sie all ihre Willenskraft, sich wieder in Erinnerung zu rufen, dass die meisten Männer die Aufmerksamkeitsspanne einer Fruchtfliege besaßen. Am besten verhalte ich mich ihm gegenüber möglichst gleichgültig, nahm Josie sich vor, dann wird er sicher schon bald das Interesse verlieren und verschwinden. So wie alle Männer vor ihm. Ein erfahrener Frauenheld wie Dario würde ganz bestimmt nicht seine kostbare Zeit mit dem Versuch verschwenden, sie zu
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