Julia Extra Band 371
sie auf dem Rücksitz nach vorn und klopfte laut gegen die Scheibe, die sie vom tadellos gekleideten Chauffeur der Familie di Sirena trennte.
„Halten Sie an! Halten Sie bitte an!“
Der Fahrer trat auf die Bremse und brachte den Wagen zum Stehen. Mit besorgtem Gesicht drehte er sich zu Josie um.
„Ist alles in Ordnung, Dr. Street?“, fragte er, nachdem die Trennscheibe heruntergefahren war.
„Ja, alles in Ordnung. Tut mir leid, ich wollte Sie nicht erschrecken“, antwortete Josie schuldbewusst und sank zurück in die weichen Ledersitze. „Ich wollte nur sichergehen, dass ich den Blick auf das Castello Sirena nicht verpasse. Es gilt als Sehenswürdigkeit, habe ich gehört.“
Der Chauffeur nickte zustimmend. „Ja, Signorina, das stimmt. Hier in Italien zählt das Castello Sirena zu den schönsten Schlössern, die sich noch in Privatbesitz befinden. Aber da Sie uns mit Ihrem Besuch einen ganzen Monat beehren, gibt es bestimmt noch viele Gelegenheiten für die ein oder andere Besichtigungstour.“
„Ich habe während meines Aufenthalts ziemlich viel zu tun. Wahrscheinlich bleibt mir nur wenig freie Zeit fürs … Bewundern“, erklärte Josie und lächelte. Die archäologische Arbeit, die auf sie wartete, erfüllte sie mit Vorfreude. Einzig die Tatsache, darüber später referieren zu müssen, bereitete ihr ein mulmiges Gefühl. „Ich gebe bald mein erstes Seminar und habe mit meinen Studenten eine Exkursion an diesen Ort geplant. Und das bedarf noch einiger Vorbereitung.“
Josie ließ ihren Blick über die malerische Landschaft schweifen, die in goldenes Sonnenlicht getaucht war. Das Castello Sirena als reines Forschungsprojekt zu betrachten würde nicht einfach werden. Aber sie durfte sich von der Schönheit dieses Ortes nicht ablenken lassen. Mit ihrem noch frischen Doktortitel in der Tasche, hatte sie gerade ihren ersten Anstellungsvertrag bei einer Universität unterschrieben. Für ihren neuen Job hatte Josie sich hohe Ziele gesetzt. Und so hatte sie es mit viel Überzeugungskraft geschafft, die Studienreise bewilligt zu bekommen. Daran nicht ganz unbeteiligt war Josies beste Freundin Antonia. Ohne ihre Einladung nach Italien und der damit verbundenen Möglichkeit, das Castello Sirena für Forschungszecke zu nutzen, hätte sie von der Universität wohl kaum die Zusage erhalten. Denn normalerweise war das Schloss für Publikum geschlossen.
Schon als Kind hatte Josie ihre Begeisterung für Archäologie entdeckt und im Garten unermüdlich nach Schätzen gegraben. Das winzige Haus, in dem sie damals gewohnt hatte, war schon bald ein Sammelsurium unterschiedlicher Fundstücke geworden. Heute bewunderte sie die Geduld ihrer Mutter, die nicht nur ihre Blumenbeete geopfert hatte, sondern später auch alles dafür getan hatte, um Josie das Studium zu ermöglichen. Kein leichter Weg. Schon allein deswegen stand für Josie der Beruf stets an erster Stelle im Leben – das redete sie sich zumindest ein.
„Hätten Sie vielleicht eine Minute Zeit, damit ich ein paar Bilder machen kann?“, fragte Josie den Fahrer. „Ich brauche ein paar Beweisfotos für meine Mutter in England, um ihr zu zeigen, dass ich hier wirklich in einem echten Schloss wohne.“
Kaum hatte sie ihre Bitte ausgesprochen, als der Fahrer auch schon ausstieg und ihr die Wagentür öffnete.
„Oh, das ist wirklich sehr nett von Ihnen. Ich hoffe, ich bringe Sie mit der Verzögerung nicht in irgendwelche Schwierigkeiten.“
„Kein Problem, Signorina. Ebenso wenig wie als ich mich um Ihr Gepäck kümmern wollte.“
Sein letzter Satz trieb Josie augenblicklich die Schamesröte ins Gesicht. Dabei war es heute schon heiß genug, auch ohne die Erinnerung an den peinlichen Vorfall im Flughafen. Sie war es nicht gewohnt, von fremden Männern angesprochen zu werden. Daher war sie sofort misstrauisch geworden, als der Fahrer – im Anzug und mit dunkler Sonnenbrille – sie in der Ankunftshalle begrüßt und wie selbstverständlich nach ihrer Tasche gegriffen hatte. Sie hatte sich geweigert, ihm ihr Reisegepäck zu überlassen, bis sie seinen Ausweis geprüft hatte.
„Danke schön.“
Josie stieg aus dem klimatisierten Wagen aus und trat in die flirrende Julihitze, die so typisch für diese Jahreszeit in der Toskana war. Schnell machte sie einige Fotos vom Castello, das am Ende der Allee auf einem Hügel lag. Dann setzte sie sich wieder in die angenehm kühle Limousine.
„Wonach hat es denn draußen so herrlich geduftet?“, fragte sie
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