Julia Extra Band 371
überspielte er seine kurze Entgleisung mit einem charmanten Lächeln, das für gewöhnlich jede Frau auf andere Gedanken brachte. Mit Ausnahme von Dr. Josie Street. Ihre schönen smaragdgrünen Augen mit den langen dunklen Wimpern blitzten vor Intelligenz und musterten ihn aufmerksam. Dann drehte sie ihm den Rücken zu und ging zu ihren Koffern.
Dario verstand den Hinweis. „Auf Wiedersehen, Josie. Ich hoffe, Sie genießen Ihren Aufenthalt.“
„Danke, das werde ich ganz sicher. Erst recht, wenn Antonia und Fabio nächste Woche hinzukommen.“
„Sie könnten sie auch jetzt in Rimini besuchen, wenn Sie mögen.“ Dario hob seinen Tennisschläger und drehte ihn in den Händen hin und her. „Ich organisiere Ihnen gerne die Fahrt.“ Aus irgendeinem Grund beunruhigte ihn der Gedanke, Josie mit ihrem allzu wachsamen Blick den Rest der Woche allein um sich zu haben.
„Nein, danke.“ Sie blickte über ihre Schulter zu ihm hinüber. „Wie schon gesagt, ich arbeite lieber, als mit den Schönen und Reichen in Rimini Smalltalk zu halten.“
„Solche Frauen sind selten.“
„Ich bin nur ehrlich“, erwiderte Josie knapp.
Dario verneigte sich leicht. „In den Kreisen, in denen ich mich bewege, ist Ehrlichkeit ein kostbares, weil knappes Gut. Ich kann daher gut verstehen, dass Ihnen andere Gesellschaft lieber ist.“
Josie zuckte mit den Schultern. „Vielleicht liegt es an meiner Arbeit, denn Forschung ist das Streben nach der Wahrheit und bedeutet Erkenntnisgewinn.“
„Sehr interessant. Das werde ich im Hinterkopf behalten“, sagte Dario zum Abschied. Gleichzeitig fragte er sich, was nötig sein würde, um Dr. Josephine Street ein wenig aufzulockern.
Josie konnte es kaum noch abwarten. So schnell sie konnte, packte sie ihre Koffer aus, um gleich danach mit der Arbeit zu beginnen.
Draußen auf dem Hof machten sich währenddessen Darios Gäste auf den Heimweg. Der Anblick all der teuren Sportwagen und Stretchlimousinen war ein Vergnügen für sich, und Josie verbrachte viel mehr Zeit am Fenster, als sie eigentlich wollte.
Erst als auch der Conte hinzukam, schnellte sie zurück. Auf keinen Fall wollte sie den Eindruck erwecken, dass sie ihre Arbeit nur vorgeschoben hatte, um allein zu sein.
Erst die Arbeit, dann das Vergnügen, rief sie sich streng in Erinnerung.
Doch aus irgendeinem Grund fühlte sie sich vom Fenster angezogen wie die Motte vom Licht. Ihr fiel auf, dass Dario sich umgezogen hatte. Er trug nun eine sandfarbene Reiterhose, dazu ein weißes Hemd und hohe Lederstiefel. Die helle Kleidung schmeichelte seinem dunklen Teint. Josie konnte ihr Glück kaum fassen. Sie hatte in Italien mit harter Arbeit gerechnet. Doch jetzt wohnte sie nicht nur in diesem märchenhaften Turm, sondern hatte auch noch einen so umwerfend gutaussehenden Gastgeber, dass sogar Rapunzel grün vor Neid geworden wäre. Nachdem auch der letzte Wagen den Hof verlassen hatte, schlenderte Dario zu den schattenspendenden Bäumen der Limonen-Allee. Gleich würde das üppige Grün der Blätter die Sicht auf ihn versperren.
Doch plötzlich hielt Conte Dario inne, drehte sich um und sah direkt zu ihrem Fenster hinauf. Josie erstarrte. Sie hob die Hand, um zu winken, überlegte es sich dann aber doch anders. Was würde ihre Mutter wohl hiervon halten? Josie konnte sie förmlich seufzen hören, und höchstwahrscheinlich würde sie mit verbittertem Blick an Josies Vater denken. Denn Mr Street war der traurige Beweis dafür, wie sehr man sich in einem Mann täuschen konnte. Immer und immer wieder machte sie sich diesen Fehltritt zum Vorwurf. Josie hasste das.
Nachdenklich blickte Dario zu ihr hinauf, dann nickte er ihr zu, drehte sich um und verschwand unter dem grünen Laubdach der Bäume. Josie ärgerte sich über sich selbst, trat vom Fenster zurück und griff hastig nach ihren Unterlagen und dem Fotoapparat. Schnell suchte sie auch den Rest ihrer Sachen zusammen und verstaute alles in einer Tragetasche, die sie sich über die Schulter hängte. Dann verließ sie die Suite und eilte zur Vorhalle des Castellos. Dies war eine reine Geschäftsreise und sie hatte noch jede Menge zu tun. Auf keinen Fall wollte sie ihre wertvolle Zeit damit verschwenden, verträumt Dario di Sirena nachzugucken.
Draußen im Sonnenschein warf sie einen Blick auf die Karte, die ihr die Haushälterin freundlicherweise zur Verfügung gestellt hatte. Um sicherzugehen, nicht Dario in die Arme zu laufen, ging sie in die Richtung, die von der Limonen-Allee
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