Julia Extra Band 371
… der Motor deines Wagens ist ja nicht zu überhören. Er stört mich jeden Abend bei der Arbeit.“
„Aber in deiner Suite brennt nie Licht“, sagte er beiläufig und blieb vor ihrem aufgeschlagenen Skizzenblock stehen. „Ich bin übrigens hergekommen, weil Antonia angerufen hat und ich dir ausrichten soll, dass sie morgen kommt. Hm … mir gefallen deine Zeichnungen.“ Er beugte sich stärker darüber. „Sie verraten eine künstlerische Ader und sind gleichzeitig sehr detailgenau. Du bist offensichtlich eine Frau mit vielen Talenten.“
Sein Kompliment machte Josie so verlegen, dass es ihr fast die Sprache verschlug. „Das macht der Job“, murmelte sie. „Er ist sehr vielfältig. Und Kunst war schon immer mein Hobby. Aber ich hatte leider nie die Chance, etwas in der Richtung beruflich zu machen, bis auf die Skizzen.“
Dario schüttelte ungläubig den Kopf. „Hast du schon einmal darüber nachgedacht, deine kleinen Zeichnungen auf große Leinwand zu übertragen? Sie würden deinem Kurs an der Uni etwas Besonderes verleihen.“
„Das klingt natürlich verlockend“, verstohlen betrachtete sie sein markantes Profil von der Seite, während er ihre Skizzen studierte, „aber daraus wird wohl nichts, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass sich jemand dafür interessiert.“
„Aber warum denn so pessimistisch, Josie? Dafür gibt es keinen Grund. Du bist eine hochqualifizierte Frau mit großen Begabungen. Mach dich nicht kleiner, als du bist!“
„Was macht dich so sicher, dass andere Leute das genauso sehen?“
„Ich habe lange genug Kunst studiert, um gute Arbeit zu erkennen. Du solltest viel selbstbewusster sein.“
Er räusperte sich und schien nicht zu wissen, was er sagen sollte. Josie musste unwillkürlich darüber lächeln, dass auch einem so weltgewandten Mann wie Dario einmal die Worte fehlten.
„Mit deinem Talent könntest du bestimmt ein viel größeres Publikum erreichen“, fuhr er dann fort, „und damit meine ich Leute wie mich, die sich normalerweise nicht besonders für Archäologie interessieren.“
Josie kaute auf der Unterlippe. „Glaubst du wirklich?“
„Ja, definitiv“, antwortete er im Brustton der Überzeugung und schenkte ihr ein Lächeln, das bei Josie augenblicklich wieder Erinnerungen an das Picknick weckte.
„Also ich weiß nicht“, erwiderte Josie und klappte ihren Skizzenblock zu. „Ich habe eigentlich keine Zeit für so etwas. Und außerdem fehlt mir das nötige Zubehör.“
„Dann solltest du dir die Zeit nehmen. Und keine Sorge wegen fehlender Malutensilien. Ich habe ein gut ausgestattetes Atelier, das du jederzeit benutzen darfst.“ Er lächelte. „Du kannst von mir alles haben, was du brauchst … zumindest was Pinsel und Farben betrifft“, fügte er schnell hinzu, als er ihr Stirnrunzeln bemerkte.
„Das ist sehr nett, Dario. Aber …“
Sie blickte zu der Feuerstelle aus römischer Vorzeit, die sie in mühevoller Feinarbeit per Hand freigelegt hatte.
Dario senkte seine Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. „Na komm schon, Josie. Trau dich. Du willst es doch auch. Dieser Boden hat zweitausend Jahre nur darauf gewartet, von dir erforscht zu werden. Du solltest diese einmalige Gelegenheit einfach beim Schopfe packen.“
Als aus Josies skeptischem Blick ein Lächeln wurde, machte Dario unwillkürlich einen Schritt auf sie zu und streckte eine Hand nach ihr aus. Doch Josie wich zurück, bevor er ihre Wange berühren konnte.
„Wie ich sehe, hast du dich wieder vollständig erholt von der … Hitze des heutigen Tages“, bemerkte er trocken und ließ seinen Arm wieder sinken. „In diesem Fall will ich dich natürlich nicht länger von der Arbeit abhalten. Aber vergiss nicht, was ich dir gesagt habe. Nutze den Moment! Denn wenn du zu lange wartest, wird er verstreichen. Und dann wirst du dein Leben lang das Gefühl haben, etwas Wichtiges verpasst zu haben.“
„Du scheinst dir ja sehr sicher zu sein“, stellte Josie amüsiert fest.
„Das bin ich“, erwiderte Dario mit ernstem Blick. „Keiner ist vor Schicksalsschlägen gefeit. Und wenn es einen hart trifft, dann kann Arbeit eine willkommene Ablenkung sein. Aber man darf sie nicht zu seinem Lebensinhalt machen. Das ist nicht gut. Sieh mich an. Ich habe es mir zur Lebensaufgabe gemacht, dieses Castello in Schuss zu halten, um es später in gutem Zustand an den kleinen Fabio weiterzugeben.“
„Fabio? Aber er ist doch gar nicht dein Sohn“, rutschte es Josie heraus. Verlegen
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