Julia Extra Band 371
schattigen Wald und trat in den hellen Sonnenschein hinaus. Sie drehte sich kurz um und wusste, dass dieser Ort in ihrer Erinnerung nun untrennbar mit Dario verbunden sein würde – und zwar für immer.
Wäre ich nur nicht schwach geworden, dann wäre das alles nicht passiert, dachte Josie reumütig.
Hastig stieg sie den Hügel hinauf und bemerkte, dass sie den Strohhut im Wald vergessen hatte, denn die Sonne brannte erbarmungslos auf sie herab. Das hüfthohe Gras schnitt ihr in die Hände. Als Josie endlich oben angekommen war, brannten ihr die Lungen wie Feuer. Keuchend blieb sie stehen. Die Hitze machte ihr das Atmen schwer. Es war zwecklos; sie konnte vor ihren Gefühlen nicht davonlaufen.
Erschöpft ließ sie sich in den Schatten eines Wacholders sinken. Von hier oben konnte sie das kleine Tal gut überblicken. Dario stand nun am Waldrand, halb verdeckt von dem Grün der Bäume. Sie kniff die Augen zusammen und beobachtete ihn. Er hatte die Hände in die Hüften gestemmt und blickte in ihre Richtung. Fast erwartete Josie, dass er sich über sie lustig machen würde, doch stattdessen senkte er niedergeschlagen den Kopf und drehte sich weg.
Um sich mit abzulenken, griff sie nach ihrem Notizblock und versuchte etwas aufzuschreiben. Doch es war hoffnungslos. Sie konnte nur an eines denken, und das hatte nichts mit ihrem Projekt zu tun. Noch immer hatte sie das Gefühl, Darios Küsse und Berührungen auf ihrer Haut zu spüren.
Josies Gedanken kehrten in eine Zeit zurück, als sie noch an eine gemeinsame Zukunft mit Andy geglaubt hatte. Doch dann war ihr Traum von Kindern und Ehe wie eine Seifenblase zerplatzt. Monatelang hatte ihr Verlobter sie mit einer Kollegin betrogen. Josie hatte sich von ihm getrennt und sich in Arbeit gestürzt.
Und nun war plötzlich Dario da. Mit einem einzigen Kuss hatte er nie gekannte Gefühle in ihr entfacht. Gefühle, die sie bei Andy immer vermisst hatte. Eine bittere Erkenntnis, die sie zugleich wütend machte.
Nie wieder lasse ich zu, dass ein Mann sich einfach von mir abwendet, schwor Josie sich. Sie blickte zu Dario hinunter, der noch immer mit dem Rücken zu ihr stand. Entschlossen klopfte sie sich den Staub von der Kleidung. Dann atmete sie tief ein, schulterte ihre Tasche und stieg den Hügel hinab.
Es wurde höchste Zeit, dass sie mit ihm über das Vorgefallene sprach. Josie überlegte, was sie eigentlich nach der innigen Umarmung im Wasserbecken erwartet hatte. Offensichtlich hatte sie ihren Verstand in England gelassen! Ich hätte seine Einladung zum Picknick ablehnen müssen, dachte sie verärgert. Dann wäre das alles nicht passiert! Nun musste sie wohl oder übel mit den Konsequenzen leben.
Entschlossenen Schritts ging sie hinunter zum Wald. Dabei war sie aufgrund der steilen Böschung ein wenig schneller als beabsichtigt.
Dario war gerade dabei, sein Pferd loszubinden, als er plötzlich ein Geräusch hinter sich hörte und sich umdrehte. Er sah Josie, die im Laufschritt auf ihn zukam.
Atemlos blieb sie vor ihm stehen. „Ich werfe mich jetzt nicht in deine Arme, falls du damit gerechnet hast.“
„Nein, das habe nicht. Aber ich bin froh, dass du da bist, denn ich möchte mich bei dir entschuldigen.“ Er blickte sie ernst an, dann bückte er sich nach dem Sonnenhut und reichte ihn ihr.
Josie zögerte. Schließlich griff sie nach dem Hut, und um ihm deutlich zu zeigen, wie wütend sie war, setzte sie ihn schwungvoll auf. Sofort wurde es dunkel um sie, denn Antonias Sonnenhut war Josie viel zu groß.
Dario schlug die Krempe ihres Huts nach hinten und sah ihr in die Augen. „So ist es besser. Wie ich bereits sagte, du solltest niemals ohne Kopfbedeckung in die pralle Sonne gehen.“
Seine Stimme klang plötzlich sachlich und distanziert, als würde er zu einer Fremden sprechen. Nichts deutete mehr darauf hin, dass er sie noch vor nicht allzu langer Zeit geküsst hatte. Auch sein Gesicht spiegelte keinerlei Gefühlsregung wider.
Josie wurden die Knie plötzlich weich. „Ich hätte mich nicht so verhalten dürfen“, sagte sie und wand sich innerlich unter seinem prüfenden Blick.
„Ich ebenso wenig.“
Er machte einen großen Schritt zurück, als wolle er Abstand zwischen ihnen wahren. „Und dann habe ich alles nur noch schlimmer gemacht, weil ich dich mit falschem Namen angesprochen habe. Dafür bitte ich dich um Verzeihung.“ Er räusperte sich und sprach dann mit sichtlichem Unbehagen weiter. „Arietta war meine Verlobte. Sie starb vor einiger
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