Julia Extra Band 372
heruntergekommen war und sich jetzt im Flur vor dem Spiegel das Haar richtete. Sie wähnte sich offensichtlich unbeobachtet und strich sich ihre langen blonden Haare nach hinten, um sie zusammenzubinden.
J. C. konnte an einer Hand abzählen, wie oft er sie mit offenem Haar gesehen hatte, befreit von dem ewigen Pferdeschwanz. Beim ersten Mal war sie mit zwölf auf einen Baum geklettert, als sich ein Ast in ihren Haaren verfangen und das Zopfgummi herausgerissen hatte. Ihre goldene Mähne hatte ihr ein wildes und verwegenes Aussehen verliehen, und so war sie zwischen den obersten Ästen verschwunden.
Beim zweiten Mal war sie zu einer Verabredung zu spät gekommen und hatte auf die Schnelle kein Haargummi gefunden. Das war mit vierzehn. Er hatte sie aufgezogen, mit den offenen Haaren sehe sie wie ein Model aus. Empört hatte sie entgegnet, er werde sie nie wieder so zu Gesicht bekommen. Und so war es auch gewesen, zumindest einige Jahre lang.
Bis sie siebzehn war und er sie fragte, ob sie mit ihm zum Tanz im Park kommen würde, einem der großen Ereignisse von Beckett’s Run. Ihr erstes offizielles Date. Sie war mittlerweile eine junge Frau, er ein junger Mann, und irgendwie schien sich alles geändert zu haben. Sein Herz klopfte schon, wenn er sie nur sah, seine Gedanken waren ein einziges Durcheinander. Nur stotternd hatte er seine Frage herausbekommen, ob sie ihn zu dem Tanz begleite. Als er am Park ankam, wartete sie schon am Eingang, in einem wunderbaren Kleid – sie trug sonst nie Kleider –, das Gesicht eingerahmt von ihren offenen goldenen Haaren. In dem Moment war es um ihn geschehen gewesen.
Grace wandte sich vom Spiegel ab und erwischte ihn dabei, wie er sie betrachtete. Sie strich sich erneut über die Haare und rückte das Zopfgummi zurecht. „Was machst du denn hier?“
„Mary hat mich gebeten, sie zum Friseur zu fahren.“
„Aber das mache ich doch.“
„Vielleicht sollten wir lieber meinen Wagen nehmen. Es soll noch mehr Schnee geben.“
„Sei nett zu J. C.“, mischte sich Mary ein. „Er hat unseren Weg freigeschaufelt.“
Lächelnd meinte Grace: „Vermutlich wollte sich Mr Carson nur ein paar Brownies verdienen.“
Schuldbewusst steckte er sich das letzte Stück in den Mund und sah sie an. Kein Kleid, verständlich bei der Kälte. Ihre Beine steckten in engen schwarzen Jeans, die sich an ihre Schenkel schmiegten. Unten schlossen sich Stiefel mit gefährlichen Absätzen an. Ein roter Wollpullover mit V-Ausschnitt formte ihre Brüste nach und betonte ihre schmale Taille. „Du würdest wahrscheinlich lieber hinfallen und dir womöglich etwas brechen, oder?“
„Als wenn wir mit dem bisschen Schnee nicht alleine zurechtkommen könnten.“
„Noch Brownies?“ Grace’ Grandma kam mit einem Teller, offensichtlich bemüht, die sich hochschaukelnde Spannung zu besänftigen. „Mit ein bisschen Schokolade sieht die Welt gleich viel süßer aus.“
„Da haben Sie recht“, sagte J. C. und nahm sich noch einen Brownie.
Grace suchte sich einen kleinen aus und nahm einen Bissen. J. C. konnte seinen Blick nicht von ihren Lippen lösen. Er versuchte, nicht auf die Schokokrümel an ihrer Oberlippe zu schauen und sich nicht vorzustellen, wie er sie küsste, bis die letzte Spur von Schokolade verschwunden war.
Schließlich räusperte er sich. „Sollen wir aufbrechen?“
„Grandma, wenn J. C. dich begleitet, dann kann ich doch hierbleiben.“
„Er ist nur mein Chauffeur.“ Sie grinste schelmisch. „Du aber musst aufpassen, dass Jane nicht sonstwas mit meinen Haaren anstellt.“
Grace lachte. „Na gut. Aber erwarte keine Frisurtipps von mir.“
Mary bestand darauf, J. C. ein paar Brownies einzupacken.
„Vielen Dank, Mary“, sagte er. „Als Gegenleistung kommt heute noch jemand vorbei und befreit Ihre Auffahrt vom Schnee.“ Er hob die Hand. „Und sagen Sie nicht, dass das nicht nötig sei. Wenn Sie mich schon wie einen Enkel verwöhnen, dann muss ich auch Enkelpflichten übernehmen.“
„Wie süß du bist.“ Sie streichelte ihm über die Wange, dann verließen sie das Haus.
J. C. half Mary, in seinen Range Rover zu klettern. Als er sich umdrehte, um Grace die Tür zu öffnen, stellte er fest, dass sie schon im Wagen saß.
Unterwegs lobte Mary fast ununterbrochen, wie schön alles geworden sei und welch wunderbare Arbeit J. C. geleistet habe. Ihre Begeisterung wirkte nicht aufgesetzt, und so freute er sich aufrichtig darüber, ja spürte sogar ein wenig Stolz. Er parkte
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