Julia Extra Band 372
Grace.“ Als würde ihm die Stadt gehören oder als wäre er zumindest ihr Bürgermeister.
Sein Vater ermahnte ihn zur Ruhe. Sofort wich jede Fröhlichkeit aus J. C.s Gesicht, und er saß still und starr da, ohne noch ein Wort mit Grace zu wechseln. Doch als sein Essen kam, lächelte er sie an und schaufelte so viel auf seine Gabel, dass er es kaum in den Mund bekam.
„J. C., iss ordentlich!“, ermahnte ihn sein Vater. „Wir sind hier nicht alleine.“
„Ja, Sir.“ Er ließ den Kopf sinken, und jeder Übermut war wieder verschwunden.
Am nächsten Tag begegnete Grace ihm im Park und am Tag darauf im Schwimmbad. Rasch merkte sie, dass es zwei J. C.s gab: einen unter der Fuchtel seines Vaters und einen unbeschwerten, wenn sein Vater nicht dabei war.
Es war der zweite J. C., in den sie sich irgendwann verliebte. Der andere J. C. aber, der kalte, analytische, praktische, hatte ihr das Herz gebrochen.
Ihre Gedanken kehrten in die Gegenwart zurück. „Es ist alles so lange her“, sagte sie. „Was hältst du davon, wenn wir das Essen nutzen, um über das Wintervergnügen zu reden?“
„Gute Idee.“ Sie gingen die paar Schritte zum Diner, und er ertappte sich dabei, dass er ihr schon wieder die Tür aufhielt. Das Lokal war voll.
J. C. wandte sich Grace zu. „Sollen wir es hinten versuchen? Ganz schön eng hier.“ Er ging voraus, und sie fanden tatsächlich noch eine eigene Nische.
„Mein Lieber, du solltest mal nachts um zwei in eine mexikanische Bar gehen. Dort ist es wirklich eng!“ Sie errötete, als würde ihr erst jetzt auffallen, dass sie ihn mein Lieber genannt hatte. „Hier geht es doch gesittet zu. Langweilig.“
„Und um dieser Langeweile zu entkommen, bist du von hier abgehauen, richtig?“
„Ich wollte nie in Beckett’s Run Wurzeln schlagen, J. C. Das weißt du.“
„Und wo lebst du jetzt? Ich meine, wenn du nicht gerade unterwegs bist.“
Grace hatte eine Speisekarte hinter dem Serviettenspender hervorgezogen und überflog sie, ehe sie ihm antwortete: „Ich habe ein winziges Apartment mit so gut wie keinen Möbeln in einem der billigsten Stadtviertel von New York. Aber ich bin ohnehin so gut wie nie da.“ Sie sah ihm in die Augen. „Was ist mit dir? Lebst du noch in der Merry Street? In der Nähe von Grandma? Oder hat es dich in die große Stadt verschlagen?“
„Ich habe ein Haus in Boston und werde bald dorthin zurückkehren. Aber im Moment wohne ich tatsächlich wieder in der Merry Street bei meiner Mutter.“
„Du wohnst in Beckett’s Run? Wie kommt es?“
„Es gibt da etwas, um das ich mich kümmern muss. Etwas Persönliches.“ Mehr erzählte er nicht. Die Vertrautheit mit Grace war hinüber, und er verspürte keine Lust, ihr etwas von seinen Familienangelegenheiten zu erzählen.
„Hallo, J. C.! Schön, Sie zu sehen. Was kann ich Ihnen bringen?“ Eine groß gewachsene Frau mit einer strahlend weißen Schürze war an den Tisch getreten. Sie sah von J. C. zu Grace. Beide bestellten Hühnchenpastete und Mineralwasser.
Als die Kellnerin weg war, setzte sich Grace auf ihrer Bank zurecht und holte ihren Notizblock und einen Stift raus. „Was ist die besondere Bedeutung des Wintervergnügens für die Stadt?“
Sofort schaltete auch J. C. um auf Businessmodus. „Die jüngste Wirtschaftskrise hat die Stadt schwer getroffen.“ Er redete langsam, doch als er sah, wie ihr Stift über das Papier flog, fuhr er in Normalgeschwindigkeit fort: „Die Stadt hat einen wirtschaftlichen Aufschwung bitter nötig. Im Sommer verirren sich nicht allzu viele Touristen hierher. Wir liegen eben nicht am Meer und müssen den Leuten daher etwas anderes bieten. Warum nicht eine ganz spezielle Wohlfühlatmosphäre? Beckett’s Run als ein Ort, an den man gerne zurückkommt und den man auch seinen Nachbarn empfiehlt.“
Sie sah ihn an. „Geht es nur darum, wie man Beckett’s Run am besten verkaufen kann?“
„Natürlich nicht.“
„Kannst du mir das Ganze dann noch einmal erzählen, ohne dass es wie in einem Businessplan wirkt?“
Er atmete tief ein und ließ seinen Blick im Lokal herumwandern. Weihnachten schien alle zu verzaubern. Alles und alle wirkten viel freundlicher und ausgeglichener. Und ging es nicht genau darum? „Ich möchte den Menschen in Beckett’s Run wie auch denen von außerhalb dabei helfen, Weihnachten einfach zu genießen und wieder an den Zauber des Fests zu glauben.“ Er dachte an jenen Menschen, von dem er sich besonders wünschte, dass ihm die Festtage
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