Julia Extra Band 373
Nachthemd mit Morgenmantel oder ein weiteres blaues Kleid. Sie entschied sich für die Uniform der Kinderfrau, kämmte ihr feuchtes Haar und band es zusammen, dann ging sie zurück in den Wohnbereich.
Emir war es leid, sie in diesem Hellblau zu sehen. Er wollte sie in fließende Stoffe in Rubinrot und Smaragdgrün gehüllt sehen, wollte ihr Haar offen über ihre Schultern fallen sehen. Oder noch besser, korrigierte er sich, als sie sich auf dem Kissen niederließ und ihr frischer Duft ihn erreichte, er wollte die Farbe ihrer Haut sehen, sie nackt auf seinem Bett ausgestreckt … Doch ihre Eröffnung hatte ihnen diese Möglichkeit zunichte gemacht.
„Ich entschuldige mich“, sprach er das Thema offen an. „Es muss schlimm sein, dass dir das zum zweiten Mal passiert.“
„Ehrlich gesagt …“ Sie bediente sich von den Platten. Sie hatte Hunger, zum ersten Mal seit Ewigkeiten richtigen Hunger. So lange hatte sie sich wie betäubt gefühlt, jetzt war es, als wären all ihre Sinne zu neuem Leben erwacht. „… ich fühle mich gut.“ Wie sollte sie es erklären, wenn sie es doch selbst erst soeben erkannt hatte? „Nach dem Unfall sah ich mich ständig als Opfer, ein Gefühl, das mir nie gefallen hat. Das war nicht ich. Ich mochte die Verärgerung nicht, die ich meinem Verlobten gegenüber fühlte.“
„Du hattest Grund, verärgert zu sein.“
„Nein, wie sich jetzt herausstellt, hatte ich den nicht“, widersprach sie.
„Ich verstehe nicht …“
„Bevor ich damals wieder ganz zu mir kam, gab es ein paar Tage, da ich immer wieder Gespräche auffing, nur konnte ich nicht reden.“ Instinktiv ging ihre Hand zu der Narbe an ihrem Hals. „Ich hörte auch, wie die Ärzte meine Operationen besprachen.“ Amy redete nicht gern darüber, also hielt sie ihre Erzählung so knapp wie möglich. „Ich war vom Pferd gestürzt, und es hatte mich mit seinen Hufen schwer verletzt. Sie mussten meine Eierstöcke entfernen, ließen nur einen kleinen Teil auf einer Seite stehen, um meinen Hormonhaushalt zu erhalten.“ Es war ihr unangenehm, darüber zu sprechen. „Ich hörte auch das Gespräch zwischen meinem Verlobten und seiner Mutter. Wie auch immer …“ Sie sah Emir an. „Heute auf dem Ritt kehrte die Erinnerung an das letzte Mal zurück, als ich auf einem Pferd gesessen habe. Ich habe damals gedacht, wie unglücklich ich war. Ich fühlte mich wie in einer Falle und wollte die Hochzeit absagen. Daran dachte ich, als sich der Unfall ereignete. Mein Verlobter hatte recht gehabt, unsere Beziehung funktionierte nicht. Ich konnte mich nur nicht mehr daran erinnern – bis jetzt.“
„Du hast ihn nicht geliebt?“, fragte er und beneidete ihre Finger, die mit einer seidigen Strähne ihres Haars spielten.
„In gewisser Hinsicht schon, aber es war nicht die Art Liebe, nach der ich mich sehnte. Wir waren schon als Teenager ein Paar, unsere Verlobung war der nächste Schritt. Wir beiden hatten die gleichen Ziele im Leben, wollten Kinder haben, aber es war keine leidenschaftliche Liebe. Es war eher …“ Sie wusste nicht, wie sie es ausdrücken sollte. „… eher eine Art logische Liebe. Ergibt das Sinn?“ Fragend schaute sie ihn an.
„Doch, durchaus“, erwiderte er. „Das ist die Art Liebe, auf der wir hier aufbauen. Zwei Menschen werden als passendes Paar gewählt, und die Liebe kommt mit der Zeit.“
Die Unterhaltung war so persönlich, dass sie meinte, die Frage stellen zu können. „War das die Art Liebe, die du mit Hannah hattest?“
„Mehr oder weniger, ja. Hannah war eine wunderbare Ehefrau und wäre eine großartige Mutter gewesen. Und sie war eine beeindruckende Scheicha.“
Amy hörte die Bewunderung und tiefe Zuneigung in seiner Stimme, trotzdem waren es keine Tränen der Eifersucht, die sie zurückblinzelte. „Vielleicht hätten mein Verlobter und ich es ja auch geschafft.“ Sie zuckte leicht mit den Schultern. „Vermutlich hätten wir eine gute Ehe geführt. Aber ich wollte einfach mehr …“ Sie konnte es nicht beschreiben.
„Du wolltest eine unlogische Liebe?“, half er ihr und traf damit genau den Punkt.
„Ja.“ Amy erhob sich. „Die will ich noch immer.“
„Bleib“, hielt er sie auf, „Ich habe noch nicht erklärt …“
„Du brauchst nichts zu erklären, Emir. Ich weiß, dass es zu nichts führen kann. Du brauchst einen Sohn als Thronfolger, um den Bestand deines Landes zu sichern.“ Ein winziger Hoffnungsfunke glomm auf. „Oder könntest du mit König Rakhal sprechen,
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