Julia Extra Band 373
mehr für mich, weshalb …“
Sie beendete den Satz nicht. Brauchte sie auch nicht, den Rest konnte Reed sich denken. Der Unfall hatte Mariettas Leben auf den Kopf gestellt und ausradiert, was sie noch an Familie gehabt hatte.
Aber ich war da, wollte er sagen. Ich war noch immer in Whistle Creek.
Doch schon damals war die Sache mit ihnen vorbei gewesen. Schon lange. Das hatte Marietta sehr klargemacht. Vor sieben Jahren hatte sie ihm klipp und klar gesagt, dass sie nicht nach Whistle Creek gehörte, genau wie er damals überzeugt gewesen war, auf die Farm seines Vaters zu gehören.
„Vermisst du es nicht?“, fragte er.
„Was? Dass nach zehn Uhr abends keine Pizza mehr zu bekommen ist? Dass man im Winter tagelang von der Außenwelt abgeschnitten ist? Dass die Post nicht ausgeliefert wird, weil Jamison mal wieder einen über den Durst getrunken hat?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein.“
„Wie ich höre, geht Jamison zum Ende des Jahres in Pension. Die Stadt bekommt einen neuen Postboten.“
„Seit zweihundert Jahren hat sich in Whistle Creek nichts verändert, Reed. Sicher, auf der Einkaufsstraße wird eine Ampel hingestellt, und Cindys Diner bekommt neue Bezüge für die Sitzbänke, aber das hat mit Fortschritt nichts zu tun. Es ist nicht das Leben, das ich führen will.“ Sie blickte ihm in die Augen. „War es nie.“
Sie waren also wieder bei dem Punkt angelangt, an dem Marietta vor sieben Jahren allem den Rücken gekehrt hatte und gegangen war. „Bist du es nicht manchmal leid? Die ständige Hektik? Die Jagd nach der Karriere?“
„Ich brauche den Adrenalinstoß, das ist es, was mich morgens aus dem Bett treibt. Ich liebe die Stadt, den Lärm, die Menschenmassen. Die Ruhe auf dem Land macht mich wahnsinnig, und die Leute auf dem Land … Sie schließen dich aus, wenn du nicht in ihre perfekte kleine Welt passt, wenn du nicht die Nische einnehmen willst, die sie dir zugedacht haben.“ Marietta schüttelte den Kopf. „Nein, Reed, ich habe nie nach Whistle Creek gepasst.“
„Es gab aber mal eine Zeit, da hast du das Städtchen geliebt.“
Als du mich geliebt hast.
Sie nippte an ihrem Wein. „Das ist lange her, Reed. Damals war ich auch noch anders. Genau wie du anders warst.“
„Ja, das war ich tatsächlich, nicht wahr?“ Naiv und bereit, an das Glücklich-bis-ans-Lebensende zu glauben. An das Unmögliche.
Dora kam mit dem Essen. Sie stellte die Teller vor die beiden hin und unterhielt sich eine Weile mit ihnen. Als die Kellnerin wieder ging, machte Marietta sich über ihr Sandwich her. Sie aß so schnell, als könnte sie es nicht erwarten, von hier wegzukommen. Sie trank ihr Glas Wein aus, lehnte aber ein zweites Glas ab. Nein, es würde keine Fehler geben, nur weil der Wein die Stimmung lockerte.
Das war auch nicht das, was Reed wollte. Falls Marietta jemals zu ihm zurückkommen sollte, dann, weil sie es wollte, und nicht, weil der Wein nachgeholfen hatte.
Sie bestand darauf, die Hälfte der Rechnung zu übernehmen. „Es ist ja kein Rendezvous.“
„Nein, natürlich nicht“, erwiderte er. „Nur zwei alte Freunde, die einander zufällig über den Weg laufen.“
„Genau, mehr nicht.“ Doch sie wandte sich ab, als sie das sagte.
Und Reed wusste, er sollte sich damit zufrieden geben, sollte es dabei belassen. Nur … ein Teil in ihm rebellierte, wollte mehr. Wollte herausfinden, ob nicht vielleicht …
Wollte herausfinden, ob vielleicht nicht die lange Trennung der Grund für die spürbare Spannung war, sondern die Tatsache, dass die Sache zwischen ihnen noch keinen Abschluss gefunden hat. Weil es da noch eine Tür gab, die nie ganz geschlossen worden war.
Wie würde es weitergehen, sollte er diese Tür wieder aufstoßen?
Sie winkten Joe hinter der Bar zum Abschied zu und verließen das kleine Bistro. Mit gerunzelter Stirn sah Marietta zur Glasfront der Abflughalle hinaus.
„Es schneit noch immer.“
„Scheint, als würde Mutter Natur uns weiße Weihnachten bescheren wollen.“ Reed grinste. „Oder sie will nicht, dass wir auseinandergehen.“
„Meine Kundin wird völlig durchdrehen.“ Sie kramte ihr Handy heraus und rief die Nachrichten auf. „In der letzten Stunde hat sie mich viermal angerufen. Da hinten in der Ecke muss der Empfang schlecht sein. Es hat nicht geklingelt.“ Sie begann zu wählen, doch Reed hielt ihre Hand fest.
„Gönn dir mal eine Pause. Du siehst aus, als hättest du die nötig.“
Sie sah wirklich müde aus. Dunkle Schatten lagen unter
Weitere Kostenlose Bücher