Julia Extra Band 373
spielen.
Selene umklammerte ihre Tasche. Das Wissen um das Geld verlieh ihr Mut. „Es tut mir leid, dass ich dich verärgert habe.“
„Was ist in der Tasche?“
Ihr wurden die Knie weich. „Nur Kleidung.“
Ihr Vater riss ihr die Tasche so heftig aus den Händen, dass sie sich die Finger aufschürfte.
Diese Tasche enthielt alles, was ihr an Hoffnung geblieben war. Verzweifelt sah Selene zu, wie er den Reißverschluss öffnete und ihre Sachen respektlos herauszerrte. Als Erstes bekam er das rote Kleid zu fassen. Die wunderschöne rote Abendrobe, die sie nur als Geste des Trotzes eingepackt hatte. Wenn sie noch einen Beweis gebraucht hätte, wie vergänglich alle Hoffnung war, dann erhielt sie ihn jetzt, als ihr Vater vor ihren Augen in blinder Zerstörungswut das Seidenkleid vom Ausschnitt bis zum Saum zerriss. Dann drehte er die Tasche um und schüttete ihre restlichen Habseligkeiten auf den Boden.
Beim Anblick ihrer Kerzen stutzte er kurz und blickte sie fragend an. „Das ist es? Deine Geschäftsidee? Hat er dich nicht ausgelacht?“
„Nein“, antwortete sie matt. „Er fand die Idee gut.“
„Weil er dachte, er könnte mich damit lächerlich machen. Kerzen? Ich schäme mich, dass meine Tochter nicht mehr Grips zu bieten hat!“
Ihr stockte der Atem, als er noch einmal nach der anscheinend leeren Tasche griff.
„Das ist alles“, sagte sie rasch … und hatte sich damit verraten.
Ihr Vater blickte sie mit zusammengekniffenen Augen an und durchsuchte die Tasche noch einmal genauer. Und natürlich fand er das Geld in einer der Seitentaschen, ein dickes Bündel Banknoten, mit einem Tangaslip zusammengebunden, weil sie nichts anderes zur Hand gehabt hatte.
Er knüpfte den sexy Slip auf und ließ ihn angewidert fallen. „Er hat dich dafür bezahlt, dass du das trägst?“
„Nein, nein … das Geld war nur ein Vorschuss auf … auf …“
„Auf mehr Sex.“ Seine Augen funkelten eisig. „Du ekelst mich an.“
„Ich gehe fort. Ich gehe fort, dann musst du mich nie wiedersehen.“
„Fort?“ Ein abscheuliches Lächeln verzerrte sein Gesicht. „Oh nein, du gehst nirgendwohin. Wir sind eine Familie. Du gehörst hierher und kannst dich glücklich schätzen, dass ich dich wieder unter meinem Dach dulde, obwohl du mit ihm zusammen gewesen bist.“
„Ich will nicht …“
Der Schlag kam völlig unerwartet. Von der Wucht prallte ihr Kopf nach hinten gegen die Wand, ein unerträglicher Schmerz explodierte in ihrem Schädel. Selene sank zu Boden und schmeckte Blut auf der Zunge. Sie war wie gelähmt, wagte nicht, sich zu rühren.
„Deine Mutter muss davon gewusst haben!“
„Nein, sie hat keine Ahnung. Ich habe ihr nichts erzählt“, widersprach Selene sofort und versuchte, sich wieder aufzurichten. Doch ihr versagten die Beine, also verharrte sie auf allen vieren wie ein verängstigtes Tier.
„Wenn ich mit dir fertig bin, werde ich sie mir vornehmen, und sie wird mir die Wahrheit erzählen.“
„Lass die Finger von ihr! Wenn du sie noch einmal anfasst, rufe ich die Polizei!“
Ihr Vater lachte höhnisch. „Wir wissen doch beide, was passiert ist, als du das zuletzt getan hast.“
Man hatte ihr nicht geglaubt. Oder wenn man ihr geglaubt hatte, sich nicht getraut, etwas gegen Stavros Antaxos zu unternehmen. Ihr Vater konnte nach außen hin sehr charmant und überzeugend sein. Und vor allem war er sehr reich und sehr mächtig, was bedeutete, dass er sich so ziemlich aus allem herauskaufen konnte.
Jetzt umkreiste er sie wie ein Raubtier, und sie wusste, sobald er seine Wut an ihr ausgelassen hatte, würde er auf ihre Mutter losgehen. Etwas Scharfes, Spitzes drückte sich in ihre Hand. Verstohlen blickte Selene nach unten und erkannte, dass sie auf die Scherbe eines gläsernen Kerzenhalters gefallen war. Langsam schlossen sich ihre Finger darum, ganz vorsichtig, damit sie sich nicht selbst verletzte.
Diesmal war sie vorbereitet, als ihr Vater wieder zuschlug. Blitzschnell hob sie abwehrend die Hand und stach ihm die Scherbe tief ins Handgelenk. Mit einem Aufschrei stolperte er zurück. Selene zögerte keine Sekunde, sondern nutzte ihre Chance. Im Nu war sie auf den Füßen, rannte aus dem Zimmer und aus der Villa und schlug die Haustür hinter sich zu. Er würde ihr natürlich hinterherkommen, und genau das wollte sie. Denn solange er sie jagte, konnte er ihrer Mutter nichts tun. Sie hoffte nur, dass sein Jähzorn verrauchte, bevor er sie beide getötet haben würde.
Stefan manövrierte
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