Julia Extra Band 373
nieder, den Mann, der für so viel Schmerz verantwortlich war. „Stehen Sie auf!“ Er bebte förmlich vor Zorn. Noch nie hatte er solche Mühe gehabt, sich zu beherrschen. „Das tun Sie den Frauen an, nicht wahr? Sie holen sie auf diese Insel, von der sie nicht weg können, und demütigen und schlagen sie. Und nicht alle schaffen es, zu entkommen, richtig?“
„Stefan …“
Aber er war noch nicht fertig. „Ich werde sie mitnehmen. Sie haben sie für immer verloren. Ich werde meine Anwälte und die Polizei auf Sie ansetzen. Und zwar Polizisten, die nicht von Ihnen bestochen worden sind.“ Ohne Mitgefühl beobachtete er, wie Antaxos sich mühsam aufrappelte und schwankend stehen blieb. Ohne die Rückendeckung seiner Leibwächter wirkte er geschrumpft.
Stefan wandte sich an Selene. „Geh zu meinem Boot. Takis wird dir helfen.“
Doch sie rührte sich nicht. „Ich kann nicht“, sagte sie, die Augen starr auf ihren Vater gerichtet. „Wenn ich gehe, wird er ihr wehtun. Und es wird meine Schuld sein.“
„Wen meinst du?“
„Meine Mutter. Er wird meiner Mutter wehtun“, flüsterte sie verzweifelt. „Das macht er immer, wenn ich nicht tue, was er will.“
„Deiner Mutter?“ Endlich dämmerte es ihm. Deshalb hatte sie den Vorschuss haben wollen … um ihre Mutter von der Insel zu holen, solange ihr Vater auf Kreta war. Das war der Plan gewesen. Keine Rebellion. Keine Geschäftsidee. Nur ein Fluchtplan. Ein Fluchtplan, den er zunichte gemacht hatte. „Wo ist deine Mutter jetzt?“, fragte er schuldbewusst.
„In ihrem Zimmer.“
Widerstrebend nickte Stefan seinem Sicherheitschef zu. „Fühlst du dich stark genug, Takis den Weg zu zeigen? Dann geh mit ihm, und bring deine Mutter her.“
Kreidebleich blickte Selene zwischen ihrem Vater und Stefan hin und her. Wem sollte sie trauen? Die Frage stand ihr so deutlich ins Gesicht geschrieben, dass Stefan es kaum ertragen konnte.
„Geh. Und bleib dicht bei Takis. Wenn dir schwindelig wird, sag ihm Bescheid. Ich würde dich selbst begleiten, aber ich habe hier noch etwas zu erledigen.“
Sobald Takis und Selene außer Hörweite waren, wandte Stefan sich Stavros Antaxos zu, um ein Gespräch zu führen, das längst überfällig war. Endlich hatte er die Macht, die er sich als Kind so sehr gewünscht hatte. Die Leibwächter hatten sich entschieden, sich herauszuhalten, sein Widersacher war ihm ausgeliefert. „Wir beide haben einiges zu klären.“
7. KAPITEL
Selene saß benommen in der Luxuskabine auf Stefans Yacht und bewachte den Schlaf ihrer Mutter.
Die Wunde an ihrem Kopf war verbunden, aber von dem schweren Sturz zu Boden tat ihr alles weh. Dazu kam die Aussichtslosigkeit ihrer Lage. Sie hatte kein Geld, kein Zuhause, keinen Job, keine Möglichkeit, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Und das Demütigendste für sie war, dass sie in ihrer kindischen Heldenverehrung so naiv gewesen war, sich von Stefan Ziakas benutzen zu lassen. Er war kein „Held“, sondern auch nur ein skrupelloser Geschäftsmann, der vor nichts zurückschreckte, um zu erreichen, was er wollte.
Jetzt musste sie jemand anderen finden, der ihr einen Geschäftskredit gewährte, aber ihr Vater würde das zu verhindern wissen.
Inmitten ihrer schwärzesten Verzweiflung ging die Tür auf, und Stefan erschien auf der Schwelle, atemberaubend männlich und attraktiv. Doch in diesem Moment weckte sein Anblick in Selene nur Wut. Wie konnte er es wagen, so beherrscht und selbstsicher dazustehen, wo ihr Leben seinetwegen in Scherben lag?
Leise, um ihre Mutter nicht zu wecken, stand sie auf, ging wortlos an ihm vorbei aus der Kabine und hinauf an Deck. Antaxos war nicht einmal mehr in Sicht. Sie hoffte inständig, die Insel nie wiederzusehen.
Stefan war ihr gefolgt. „Wir müssen miteinander reden.“
„Was gibt es noch zu reden? Du hast mich benutzt, um meinen Vater zu demütigen, und die Folgen durfte ich buchstäblich am eigenen Leib spüren.“
Er sah sie erstaunt an. „ Du bist wütend auf mich ?“
„Allerdings! Wütend ist gar kein Ausdruck.“
„Dann sind wir ja zwei“, stieß er hervor. „Aber bevor wir das klären, möchte ich, dass ein Arzt dich anschaut. Ich möchte sichergehen, dass alles in Ordnung ist.“
„Warum? Weil du dich so sehr um mein Wohl sorgst? Oder weil du deinen Konkurrenten noch weiter demütigen willst? Was soll ich denn als Nächstes tun? Nackt im Fernsehen auftreten? Du hast mich benutzt. Das alles war ein abgekartetes Spiel: das Kleid, der
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