Julia Extra Band 373
mein Büro gekommen bist“, sagte er kalt. „Es ist nicht meine Schuld, dass du mich in deiner Vorstellung zu einer Art Gott gemacht hast.“
„Keine Sorge, inzwischen denke ich anders“, wehrte sie heiser ab. „Ich kann nicht glauben, dass du das wirklich getan hast. Es ist das Schlimmste, das mir hätte passieren können.“ Denn nun war sie ganz allein. Keiner würde ihr mehr helfen. Keinen würde ihr Schicksal interessieren. Schon gar nicht den Mann, dem sie so blind vertraut hatte.
„Ich habe dir einen Gefallen getan“, erklärte er zu allem Überfluss. „Dein Vater ist so gezwungen zu erkennen, dass es dir mit deiner Unabhängigkeit ernst ist. Und darf ich dich daran erinnern, dass du freiwillig zu mir gekommen bist? Ich habe dich zu nichts gezwungen. Im Gegenteil, du hast alles sehr bereitwillig mitgemacht. Mein Verhalten war sogar vorbildlich, als du in deinem beschwipsten Zustand alles darangesetzt hast, mich zu verrühren, und ich der Versuchung widerstanden habe.“
Sie errötete gedemütigt und unglücklich. „Du bist ein wahrer Heiliger.“
„Das habe ich nie behauptet. Du warst diejenige, die in Nonnentracht und mit lächerlichen Erwartungen zu mir gekommen ist.“
Er hatte natürlich recht. Das alles waren ihre Entscheidungen gewesen: zu ihm zu gehen, zu viel Champagner zu trinken, ihn zu küssen, mit ihm zu schlafen. Sie hatte sich so sehr gewünscht, selbst über ihr Leben zu bestimmen, und hatte dann, wie es aussah, nur die falschen Entscheidungen getroffen. Einsam und verzweifelt, hatte sie ihn in ihrer Fantasie zu ihrem Helden gemacht, und die Wahrheit traf sie nun wie ein harter Schlag. Er hatte sie nur benutzt, um gegen ihren Vater zu punkten, und sie würde den Preis dafür bezahlen. Und ihre Mutter.
Allein bei dem Gedanken daran zitterte sie. „Du hast recht, von jetzt an werde ich meine Entscheidungen sorgfältiger treffen. Und die erste wird sein, mich von Männern wie dir fernzuhalten. Das wolltest du doch, nicht wahr? Mir deine zynische Weltsicht überstülpen. Schön, von jetzt an bin ich offiziell zynisch.“
Stefan machte einen Schritt auf sie zu. „Du reagierst völlig übertrieben. Sobald dein Vater erkennt, dass es dir Ernst damit ist, unabhängig und in deinem Geschäft erfolgreich zu sein, wird er dich gehen lassen. So gesehen, habe ich dir einen Gefallen getan. Es hat keinen Sinn zu rebellieren, wenn keiner weiß, dass du rebellierst.“
„Es geht nicht um Rebellion. Darum ist es nie gegangen“, wehrte sie bedrückt ab. „Du hast keine Ahnung, was du getan hast und welche Folgen es haben wird.“ Hastig begann sie, ihre Sachen einzusammeln und in ihre Tasche zu stopfen. „Ich muss sofort los. Gibt es eine Fähre von hier?“ Wie viel Zeit mochte ihr noch bleiben?
Er unterdrückte einen Fluch. „Beruhige dich erst einmal. Ich verstehe gar nicht, warum du dich so aufregst. Ich habe dir doch versprochen, dass ich dir das Geld gebe. Du kannst leben, wie du es dir wünschst, und alles kaufen, ohne deinen Vater um Erlaubnis zu fragen.
Was nützte ihr alles Geld der Welt, wenn sie ihre Mutter nicht von der Insel holen konnte? „Wann genau sind diese Fotos herausgekommen?“
Stefan warf einen Blick auf sein Handy. „Dieses wurde gegen Mitternacht gepostet.“
„Mitternacht?“ Das war schon Stunden her! Selene wurde schlecht. „Wenn mein Vater sie schon um Mitternacht gesehen hat, bedeutet das …“ Er konnte schon auf dem Weg nach Antaxos sein, wo ihre Mutter allein und schutzlos war. „Ich muss sofort los!“
Er streckte eine Hand nach ihr aus, doch Selene wich zurück. „Geh weg von mir. Tu nicht so, als würdest du dir etwas aus mir machen. Ich weiß, dass es nicht so ist. Und ich möchte nicht, dass du mich je wieder anfasst.“
„Schön, ich werde dich nicht berühren“, stieß er aus. „Aber dann schau mich wenigstens an, und hör mir zu. Es ist nicht klug, jetzt wie ein braves, gehorsames Mädchen so schnell wie möglich nach Hause zu eilen.“
„Du hast keine Ahnung! Du hast keine Ahnung, was du getan hast!“
„Nun, schlimmstenfalls habe ich deinen Vater richtig verärgert und deine Botschaft unterstrichen, dass du unabhängig sein willst.“
„Die Gelegenheit dazu hast du vielleicht bekommen.“ Selene schluckte. Wenn ihr Vater vor ihr nach Hause kam, würde ihre Mutter zu verängstigt sein, um wegzugehen. Wie schon so oft zuvor würde sie der Mut verlassen. „Ich muss aufbrechen. Sofort.“
„Schön, wenn du das wirklich
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