Julia Extra Band 374
Wange und ließ Meg nicht los, während er sprach. „Wir können uns im Bett streiten.“
Das klang viel mehr nach dem Niklas, den sie kannte. Er drückte das Gesicht an ihr Haar, und sie hörte seine schnelle, unregelmäßige Atmung. Einen Moment lang glaubte sie, dass er weinte, aber dann redete er ganz normal weiter.
„Vor dem Eingang warten die Reporter, deshalb nehmen wir die Hintertür. Ich bringe dich weg von hier. Zwar muss ich in der Stadt bleiben, aber du …“
„Nein“, sagte Rosa. Sie erklärte Niklas, dass Meg morgen noch einmal herkommen müsse.
„Dann rufe ich Carla an.“ Seinen Arm noch immer um Megs Schulter, lieh er sich Rosas Telefon und wählte die Nummer.
Vorsichtig löste sich Meg von ihm und auch kurz darauf, als sie im Auto saßen, rückte sie auf dem Rücksitz so weit fort von ihm wie möglich. Sie brauchte einfach etwas Abstand.
Obwohl sie den Hinterausgang benutzt hatten, bekamen die Reporter ihre Fotos. Es war ganz furchtbar. Sie stürzten auf das Auto zu und versperrten die Ausfahrt. Der Fahrer schüttelte sie jedoch ab. Niklas sagte zu ihr, dass es noch eine Zeitlang so bleiben könnte und dass er sie in ein Hotel bringen würde. Er sah Meg an, wie erschrocken sie war.
„Wir fahren nicht dorthin zurück. Ich habe Carla gebeten, uns eine Suite in einem anderen Hotel zu buchen.“
Uns.
Das setzte er einfach so voraus.
Sie betraten das Hotel durch den Hintereingang und wurden sofort zu einem Lift geführt. Niklas drückte eine hohe Stockwerkzahl.
„Bist du freigekommen?“, brach Meg schließlich das Schweigen.
„Ich bin gegen Kaution aus der Untersuchungshaft entlassen worden.“
„Und warum trägst du dann immer noch …?“ Sie schüttelte den Kopf. Für Erklärungen war sie jetzt zu müde.
Oben auf dem Flur standen Wachleute des Hotels. „Wegen der Reporter“, sagte Niklas, aber Meg fühlte sich wie im Gefängnis, und er zweifellos auch. Er öffnete mit einer Zimmerkarte die Tür zur Luxussuite.
Einen Moment lang blieb Meg mitten im Raum stehen und wusste mit Sicherheit nur, in welcher Stadt sie war und dass Niklas noch lebte. Trotzdem sah sie ihn im Geiste wieder tot daliegen, empfand sie wieder die Ängste, die sie in den Minuten davor gepackt hatten. Sie begann zu zittern.
„Ich wollte dich heute Abend aus der Stadt bringen. Da sie uns morgen zurück auf dem Polizeirevier erwarten, ist es jedoch besser, wenn wir bleiben. Ich habe veranlasst, dass deine Sachen eingepackt werden, aber sie sind noch in dem anderen Hotel. Zunächst musst du dich mit dem hier behelfen.“
Man konnte es wohl kaum „sich behelfen“ nennen. Sie würde etwas zu essen bekommen und ein Bad nehmen, aber jetzt setzte sie sich erst einmal hin und trank einen starken Kaffee. Niklas ging zum Kühlschrank und öffnete eine Flasche Champagner.
Seit fast einem Jahr hatte Meg keinen Champagner mehr getrunken. Nicht mehr seit ihrer Hochzeit.
Es war das Getränk, das sie im Flugzeug zusammen getrunken hatten, an dem Tag, an dem sie sich kennengelernt hatten. Niklas schenkte ihnen ein, sie stießen an und feierten stillschweigend, dass sie irgendwie beide hier waren. Sie hatten so vieles zu bereden, aber er befasste sich zuerst mit dem, was unerlässlich war.
„Du musst deine Eltern anrufen.“
„Ich weiß nicht, was ich ihnen sagen soll.“ Ihr war allein bei dem Gedanken an ihre Eltern zum Heulen. Sie fürchtete sich vor dem Gespräch, das, nachdem sie ihnen noch nie etwas von Niklas erzählt hatte, umso schlimmer verlaufen würde.
„Sag ihnen die Wahrheit“, riet er. „Ein bisschen abgeschwächt.“ Er stupste Meg an. „Tu es sofort, für den Fall, dass sie irgendetwas in den Nachrichten hören oder sich das Konsulat mit ihnen in Verbindung setzt. Haben sie versucht, dich anzurufen?“
„Ich habe nicht einmal mein Telefon mitgenommen.“
„Es ist bestimmt noch in dem anderen Hotel. Fürs Erste brauchen deine Eltern nur zu wissen, dass du in Sicherheit bist. Wenn es dir zu viel wird, rede ich mit ihnen.“
„Nein.“ Meg schüttelte den Kopf. „Ich mache es.“
„Jetzt.“
„Ich habe ja noch immer nicht richtig verstanden, was passiert ist.“ Aber sie nahm das Telefon, weil Niklas recht hatte. Ihre Eltern sollten zumindest erfahren, dass es ihr gut ging. „Lass mich allein“, bat sie und war froh, dass er nicht widersprach.
Er ging ins Schlafzimmer, und Meg wählte die Nummer, dann schaute sie aus dem Fenster auf die sehr schöne, aber sehr komplizierte Stadt.
Weitere Kostenlose Bücher