Julia Extra Band 374
Als sie die Stimme ihrer Mutter hörte, hielt Meg den Atem an.
„Wie ist Brasilien?“, fragte Ruth. „Oder ist es diese Woche Hawaii?“
„Noch immer Brasilien“, erwiderte Meg, und weil Ruth ihre Mutter war, wusste sie sofort Bescheid.
„Was ist passiert?“
Es war ein sehr schwieriges Gespräch. Zuerst musste Meg erzählen, dass sie in Las Vegas einen Mann geheiratet hatte, den sie gerade erst kennengelernt hatte. Natürlich schwächte sie die Geschichte stark ab, trotzdem kam sie nicht darum herum, auch zu erzählen, wie Niklas sie am Morgen nach der Hochzeit verärgert hatte. Wie sie versucht hatte, sich innerlich darauf einzustellen, die Scheidung einzureichen.
Und Ruth unterbrach sie ständig mit Fragen, die Megs Vater dazwischenrief. Fragen, die nicht wirklich wichtig waren, weil die beiden ja noch lange nicht die ganze Geschichte kannten. Also gestand Meg, dass sie sich in Brasilien aufhielt, um ihren Mann zu besuchen. Dass er vor einer Weile verhaftet worden war. Dass er unschuldig war.
Jetzt schrie und weinte ihre Mutter, und ihr Vater verlangte das Telefon, und sie kamen einfach nicht weiter. Dann stand Niklas neben ihr, und Meg übergab ihm nun doch gern das Telefon.
In den nächsten Minuten stellte sie fest, wie clever er im Umgang mit Menschen war, weil er es fast auf Anhieb schaffte, ihren Vater zu besänftigen.
„Als ich Ihre Tochter heiratete, hatte ich die Absicht, gut für sie zu sorgen. Das hätte ich Ihnen auch gesagt, aber dann fand ich heraus, dass gegen mich ermittelt wird.“
Niklas sagte ihren Eltern ruhig die Wahrheit, und Meg hörte kein Geschrei mehr.
„Ich wollte Meg aus dem kommenden Ärger heraushalten. Dabei habe ich versagt, und ich entschuldige mich dafür.“
Alle Einzelheiten brauchten sie nicht zu erfahren, er teilte ihnen jedoch das Wichtigste mit, weil sie sofort nach dem Gespräch selbst nach Informationen suchen würden. Deshalb erzählte er ihnen kurz und sachlich von der Schießerei und betonte ständig, dass Meg in Sicherheit war.
„Wenn Sie weitere Fragen haben, können Sie jederzeit anrufen, ganz gleich, wie früh oder spät es ist. Ich werde mein Bestes tun, sie zu beantworten.“ Niklas gab Meg das Telefon zurück.
„Du bist in Sicherheit“, wiederholte ihre Mutter.
„Ja.“
„Wir müssen reden, Meg.“
„Werden wir.“ Sie legte auf und sah Niklas an. „Du hättest mir damals die Wahrheit sagen können.“
„Wie denn? Hätte ich zurück ins Zimmer kommen und dir erzählen sollen, dass gegen mich wegen Betrug und Unterschlagung ermittelt wird? Dass der Mann, den du vierundzwanzig Stunden vorher kennengelernt hast, mit fünfunddreißig Jahren Gefängnis rechnen muss? Was hättest du darauf erwidert?“
„Ich hätte vielleicht vorgeschlagen, dass du erst zurückfliegst, wenn du weißt, welche Beweise gegen dich vorliegen!“, brauste Meg auf. „Ich mag ja nicht gerade die beste der Welt sein, aber ich bin Anwältin.“
„Mein eigener Anwalt hat mir geraten, sofort zurückzukehren.“ Niklas hätte sich ohrfeigen können, weil er es nicht fertiggebracht hatte, mit ihr darüber zu reden. Wenn er sich ihr anvertraut hätte, dann hätte er möglicherweise tatsächlich zuerst mehr Informationen eingeholt, anstatt einen Erste-Klasse-Flug in die Hölle zu nehmen. „Ich musste zurück und mich den Vorwürfen stellen. Hättest du zu mir gehalten?“
„Du hast mir nie Gelegenheit dazu gegeben.“
„Weil ich davor am meisten Angst hatte.“ Niklas kniete sich neben sie. „Du hast nie gefragt, ob ich es getan habe.“
„Nein.“
„Nicht einmal, als du mich besucht hast. Auch nicht, als du angerufen hast.“
„Nein, habe ich nicht.“
„Hast du geglaubt, ich bin unschuldig?“
„Ich habe es gehofft.“
„Unsere Liebe war von Anfang an größer als unser Menschenverstand“, sagte Niklas.
Schweigend blieb Meg einfach dort sitzen und war froh, dass er sie schließlich allein ließ und ins Badezimmer ging. Sie hörte, wie er seufzend ins Badewasser glitt. Ja, sie hatte zwar gehofft, dass er unschuldig war, aber an ihren Gefühlen für ihn hatte es nichts geändert, und das machte ihr Angst. Nach einer Weile ging sie zu ihm.
„Es tut mir so leid, Meg.“ Er sah sie an. „Alles, was ich dir und deinen Eltern zugemutet habe.“
„Du warst nicht schuld daran.“
„Trotzdem, ich habe dich fast das Leben gekostet …“
Und dann stellte er die Frage, die die Polizei vorhin auch gestellt hatte.
„Hat er dir etwas getan?“
Ihr
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