Julia Extra Band 375
das leise Knarzen des Schaukelstuhls etwas ungemein Beruhigendes hatte. Sie fühlte sich fast wie aus der Zeit gefallen und … sicher. Verträumt fuhr sie dem friedlich an ihrer Brust nuckelnden Nico über den Kopf, während sie hörte, wie Dante im Hintergrund Schubladen und Schranktüren öffnete und schloss.
Noch ehe das Baby seine Mahlzeit beendet hatte, gesellte sich Dante zu ihr. Seine Augen waren samtschwarz wie verflüssigte Kohle, und plötzlich fühlte sie sich fast scheu unter seinem Blick. Aber wie um Himmels Willen konnte sie sich nach allem, was sich zwischen ihnen ereignet hatte, scheu fühlen?
Sie versuchte ihre Verunsicherung mit Schnoddrigkeit zu überspielen. „Was gibt’s denn da zu glotzen?“
„Du siehst so aufregend aus. Eine Madonna in hautengen Jeans.“
„Hör sofort auf!“ Ihre Wangen waren heiß geworden. „Ich stille unseren Sohn!“
„Und das machst du wirklich gut.“
„Stillen ist die natürlichste Sache der Welt, Dante. Das kann jede Frau.“
Aber Dante wusste, dass nicht alle Frauen ihre Kinder stillten. Justina hatte ihn wieder einmal überrascht. War er nicht davon ausgegangen, dass sie es gar nicht erwarten konnte, Nico einer Kinderfrau zu übergeben, damit sie sich endlich wieder ihrer geliebten Songschreiberei widmen konnte? Und doch war es ganz anders gekommen. Sie hatte sich mit einer Begeisterung in ihre neue Rolle gestürzt, die er sich niemals hätte träumen lassen.
Auch als sie aufstand und Nico wieder hinlegte, ließ er sie nicht aus den Augen. Dabei war ihm, als ob sie sich nur widerstrebend von dem Kinderbett löste, fast als wäre sie gezwungen, eine Schutzzone zu verlassen. Aber er wollte sie nicht angespannt, sondern weich und hingebungsvoll, so wie er es sich schon so lange erträumte.
„Da drüben ist das Bad, falls du dich etwas frisch machen willst“, erklärte er.
Erleichtert, seinem Blick endlich zu entkommen, verschwand Justina im Bad, wo sie unter der warmen Dusche versuchte, Dante aus ihren Gedanken zu verbannen, Doch einfach war das nicht, weil ihr Verlangen gefährliche dunkle Blüten trieb. Aber sie konnte nicht den ganzen Tag im Bad bleiben.
Nur in ein Badelaken gehüllt, betrat sie das Schlafzimmer, wo Dante ihr mit undurchdringlicher Miene entgegensah.
„Schläft Nico?“, fragte sie verlegen, weil sie auf seine Anwesenheit nicht gefasst gewesen war.
Als er nicht sofort reagierte, sah Justina, dass er nicht weniger angespannt wirkte, als sie selbst sich fühlte.
„Ja. Willst du noch mal nach ihm sehen?“
Sie nickte und folgte ihm nach nebenan, wo ihr Sohn friedlich in seinem Bettchen schlummerte. Einen Moment lang beobachtete sie, wie sich sein winziger Brustkorb ruhig hob und senkte. Wie würde es Nico im Leben ergehen? Würde er wie sie selbst darunter leiden, dass er nicht in einer heilen Familie aufwuchs? Obwohl sie aus eigener Erfahrung wusste, wie traurig es war, ohne Vater aufwachsen zu müssen, hatte sie offenbar keine Skrupel, ihrem Sohn dasselbe Schicksal – und damit denselben Schmerz – zuzumuten …
Mit einem erstickten Laut wandte sie sich ab, um zurück ins Schlafzimmer zu gehen. Dass Dante dicht hinter ihr war, merkte sie erst, als er ihr eine Hand auf die nackte Schulter legte, was sie veranlasste, sich zu ihm umzudrehen.
„Justina? Stimmt irgendwas nicht?“
Sie schüttelte den Kopf. Wie sollte sie von dem Hexenkessel aus Unsicherheiten reden, der in ihr brodelte, wenn sie nur an Dantes Finger denken konnte, die ihr Fleisch versengten?
„ Das hier stimmt nicht … Es ist doch eine Farce, dass wir mit unserem Kind hierherkommen und so tun, als ob wir eine glückliche Familie wären“, sagte sie verzweifelt und schüttelte seine Hand ab. „Mit uns stimmt etwas nicht!“
„Nein!“, widersprach er vehement, während er sie an sich zog und sein Gesicht ganz dicht vor ihres brachte. So dicht, dass sie seinen heißen Atem auf ihrer Haut spürte. „Was sollte mit uns nicht stimmen? Wie könnte etwas nicht stimmen, wo es sich doch so gut anfühlt, wann immer ich dich berühre?“
„Dante …“
„Küss mich“, murmelte er heiser. „Und dann sag noch mal, dass mit uns etwas nicht stimmt. Wenn du das schaffst, rühre ich dich nie mehr an – geschworen.“
Sie sollte sagen, dass das alles Unsinn war. Dass sie ihn gar nicht küssen wollte. Aber das wäre eine Lüge, denn immerhin hatte sie es doch schon die ganze Zeit gewollt, oder? Sie sehnte sich schon viel zu lange nach seinem harten Kuss.
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