Julia Extra Band 375
über die schwarzen Locken fuhr. Und natürlich entgingen ihr auch die verstohlenen Blicke nicht, die an ihrer linken Hand nach einem Ehering oder einem sonstigen Zeichen der Verbundenheit mit der Familie D’Arezzo suchten.
Vielleicht halten sie mich ja für das Kindermädchen, dachte Justina, während sie aus dem Flughafengebäude zu dem bereitgestellten Wagen gingen. Dabei strich sie wie zur Selbstvergewisserung mit den Fingerspitzen über ihre neue Seidenjacke, die sie zu ihrer engen schwarzen Jeans trug. Diese Jacke hatte sie sich von ihrem eigenen Geld gekauft, sie brauchte keinen Mann, der sie aushielt. Sie stand in jeder Hinsicht auf eigenen Beinen, was Grund genug war, stolz zu sein.
„Alles okay mit dir?“, fragte Dante, nachdem er Nico in einem Kindersitz festgeschnallt hatte.
„Ja“, sagte sie und versuchte, das mulmige Gefühl in der Magengegend zu übersehen.
„Du siehst toll aus“, sagte er leise, während er aus der Parklücke fuhr.
Erstaunt hob Justina den Kopf. „Findest du?“
„Ja. Gar nicht wie eine Frau, die eben erst ein Kind bekommen hat.“
„Bis man das Baby sieht, natürlich“, gab sie gut gelaunt zurück, wobei sie zu ignorieren versuchte, dass ihre Haut plötzlich angefangen hatte zu kribbeln. Er verstand es wahrlich, einer Frau vorzumachen, dass sie der Mittelpunkt des Universums war. Darauf sollte sie wirklich nicht mehr hereinfallen.
Er ist ein Spieler, erinnerte sie sich. Deshalb war es ihm auch nicht schwergefallen, nur wenige Tage, nachdem er mit ihr Schluss gemacht hatte, mit einer anderen Frau ins Bett zu gehen, obwohl er immer behauptet hatte, sie zu lieben.
Sie dachte an all die Dinge, die unausgesprochen zwischen ihnen standen. An diese seltsame Intimität , die sich bei der Geburt eingestellt hatte, als Dante auf eine Art für sie dagewesen war, die sie ihm nie zugetraut hätte. Er war stark und beschützend und zartfühlend gewesen, sodass sie sich ihm plötzlich wieder ganz nah gefühlt hatte. Aber es gab auch anderes, was ungesagt geblieben war, Dinge, auf die sie überhaupt nicht stolz war. Keiner von ihnen beiden hatte dieses sinnliche Intermezzo auf der Couch je erwähnt, nach dem er einfach verschwunden war, als ob nichts passiert wäre. Und seither hatte er nie wieder versucht, sich ihr intim zu nähern. Sogar jetzt, da ihr Körper wieder so war wie früher und sie im Umgang mit Nico bereits eine gewisse Routine entwickelt hatte, ließ Dante nie ein wie auch immer geartetes erotisches Interesse an ihr erkennen.
Justina hatte versucht sich einzureden, dass es besser wäre, keine intime Beziehung mit ihm zu haben. Einfach, weil es unkomplizierter war. Was allerdings nichts daran änderte, dass sie sich seiner Anwesenheit stets überdeutlich bewusst war. Als ob ihr Körper darauf programmiert wäre, auf seine Nähe mit Erregung zu reagieren.
Sie wandte den Kopf und schaute aus dem Fenster, wobei sie versuchte, sich auf die Schönheit der Landschaft zu konzentrieren. Am wichtigsten war, dass sie es schaffte, ihrem Sohn eine gute Mutter zu sein, alles andere kam später.
Obwohl seit Justinas letztem Besuch hier mehr als fünf Jahre vergangen waren, war sie überrascht, wie vertraut ihr alles erschien. Das Anwesen war von der Straße aus nicht gleich zu sehen, weil das Grundstück mit der Landschaft verschmolz. Eine lange Auffahrt führte zum Haus, mit den Bergen im Hintergrund, die mit Oliven- und Obstbäumen bepflanzt waren, und weiter unten an den Hängen wuchs der mit vielen Preisen ausgezeichnete D’Arezzo-Wein.
Jetzt nahm der golden in der Sonne schimmernde Palazzo mit dem Glockenturm und den geschlossenen Fensterläden langsam Gestalt an. Als Justina ihn sah, musste sie zugeben, dass sie wieder genauso beeindruckt war wie beim ersten Mal. Er war in ihren Augen ein Symbol für Stabilität und Dauerhaftigkeit, fest verankert in seiner Umgebung. Das war etwas, das sie immer vermisst hatte. Und als ihr klar wurde, dass es hier nicht nur um Dantes Erbe ging, sondern auch um das Erbe ihres Sohnes, hatte sie plötzlich einen dicken Kloß im Hals. Weil ihr schmerzlich bewusst wurde, dass sie kein Recht hatte, Nico dieses Erbe vorzuenthalten.
Als Dante den Wagen im Innenhof zum Stehen brachte, sah Justina überrascht, dass seine Mutter bereits vor dem Haus wartete. Vor sechs Jahren waren sie von der Haushälterin in Empfang genommen worden, und Beatrix D’Arezzo hatte sich erst kurz vor dem Dinner auf einen Aperitif zu ihnen gesellt.
Justina
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