Julia Extra Band 375
seine Mutter, sondern auch alle männlichen Familienmitglieder Vorbehalte gegen sie gehabt hatten. Sie dachte an die Begrüßungsparty während ihres ersten und einzigen Besuchs. Wenn damals bloß Dantes Schwester nicht darauf bestanden hätte, dieses vermaledeite Video vorzuspielen! Justina erinnerte sich, wie alle mit wachsendem Horror beobachtet hatten, wie sie, nur mit einem winzigen Tutu und einem noch winzigeren Hemdchen bekleidet, über die Bühne getobt war. Danach hatte man sie wie eine Aussätzige behandelt.
„Sie fanden, dass ich nicht die richtige Frau für dich bin, und dann auch noch eine Engländerin“, fügte sie hinzu.
„Jede italienische mamma wünscht sich eben, dass ihr Sohn ein italienisches Mädchen heiratet“, sagte er mit einem Schulterzucken.
„Statt einer zweifelhaften englischen Songschreiberin aus ungeordneten Verhältnissen?“
„Wahrscheinlich konnte sie sich einfach nicht vorstellen, wie das mit uns gehen soll, wenn du ständig durch die Welt gondelst.“ Es blieb einen Moment still, bevor er hinzufügte: „Eine Frage, die ja nicht ganz unberechtigt war, wie du ehrlich zugeben musst.“
„Und wie hat deine Mutter jetzt reagiert, außer, dass sie sich über ihren Enkel gefreut hat?“
Dante überlegte, wie er es am besten sagen sollte. Er hatte erwartet, dass es Ärger geben würde. Wut und Empörung. Er hatte mit einem theatralischen Ausbruch gerechnet, womöglich mit Unterstellungen vonseiten seiner Mutter, dass eine fragwürdige Person wie Justina ihren kostbaren Sohn in eine Falle gelockt hatte.
Doch nichts dergleichen. Entweder lag es an einer gewissen Altersmilde seiner Mutter oder an dem verständlichen Wunsch nach Weiterführung der Familienlinie, jedenfalls war die Reaktion seiner Mutter ganz anders ausgefallen als erwartet.
„Aber du wirst sie natürlich heiraten müssen, Dante“, hatte sie nur gesagt. „Wenn dieses Kind wirklich ein D’Arezzo ist, muss es legitimiert werden.“ Dante erinnerte sich an das selbstgewisse Lächeln seiner Mutter, die an all die Frauen dachte, die sich nichts Schöneres vorstellen konnten, als ihren Sohn zu heiraten. Doch Dante wusste, dass er im vorliegenden Fall nicht so leichtes Spiel haben würde. Justina war anders.
„Dante?“
Er schaute auf. „Was ist?“
„Ich wollte wissen, wie deine Mutter reagiert hat.“
„Nicht anders als jede andere Großmutter vermutlich. Stolz und glücklich. So wie deine Mutter bestimmt auch, oder?“
Justina drehte nervös an ihrem Zopf. „Machst du Witze? Sie findet, dass sie für eine Großmutter noch viel zu jung ist.“
„Typisch“, sagte er. Als er den dunklen Schatten sah, der durch ihre Augen huschte, spürte er Wut auf Justinas Mutter in sich aufsteigen. Konnte sich diese Frau nicht wenigstens ein einziges Mal wie ein normaler Mensch benehmen? War es wirklich zu viel verlangt, dass sie zumindest in diesem Fall Familiensinn bewies und für ihre Tochter da war?
„Ich finde, wir sollten Nico so schnell wie möglich einen Pass besorgen“, sagte er schroff. „Dann können wir jederzeit mit ihm in die Toskana.“
Im Zuge ihrer Reisevorbereitungen ging Justina einkaufen, weil sie fand, dass sie nach der Schwangerschaft absolut nichts mehr anzuziehen hatte. Außerdem wollte sie diesmal bei ihrem Besuch in der Toskana seriöser wirken als damals, wo sie eine Art Popstar gewesen war und sich dementsprechend gestylt hatte. Ihr wildes Outfit war ein Statement gewesen, aber im Laufe von fast sechs Jahren hatte sich ihr Geschmack verändert.
Deshalb füllte sie jetzt ihren Einkaufskorb mit Kaschmir und Seide und gönnte sich sogar mehrere Garnituren Unterwäsche – weil sich nach der Schwangerschaft ihre Figur verändert hatte, wie sie sich einredete. Aber sie spürte ihre Wangen heiß werden, als sie mit den Fingern über einen Spitzentanga fuhr und sich dabei unwillkürlich ausmalte, wie Dante ihn ihr abstreifte.
Sie verließen London im Nieselregen und wurden in der Toskana von einem strahlend blauen Himmel begrüßt, über den nur ein paar Schäfchenwolken zogen. Am Flughafen winkte man sie umstandslos durch die Kontrollen, mit jener Art Beflissenheit, die Justina noch aus Lollipop-Zeiten vertraut war. Dante war hier bekannt wie ein bunter Hund, weil die Familie D’Arrezzo seit Jahrhunderten in der Gegend lebte.
Sie beobachtete fast wehmütig, wie er seinen Sohn stolz durch die Absperrungen trug, wobei sich immer wieder jemand vom Flughafenpersonal fand, der Nico lächelnd
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