Julia Extra Band 376
immer nur das Beste.“ Marcus verfiel in ein merkwürdiges Schweigen, als würde ihn etwas beschäftigen. Plötzlich schüttelte er den Kopf.
„Was ist mit Ihnen?“, fragte Vanessa.
„Ihre Neigung zu rücksichtsloser Offenheit scheint auf mich abzufärben. Aber ich finde einfach, Sie sollten die Wahrheit wissen. Mein Vater hat mir anvertraut, es werde wohl drei oder vier Wochen dauern, bis er zurückkommt. Sie sollten es nicht wissen, weil er Angst hat, Sie würden nicht so lange warten. Darum soll ich mich um Sie kümmern.“
Vanessa konnte es nicht fassen. „Aber ich bleibe doch nur sechs Wochen. Dann hätten wir nur zwei oder drei Wochen, um uns besser kennenzulernen.“
„Bleiben Sie doch einfach länger.“
Vanessa fühlte sich betrogen. Sie trank einen tiefen Schluck. Ob Gabriel sie auch sonst anlog? „Ich kann nicht länger bleiben. Sechs Wochen, länger konnte ich mir nicht freinehmen. Sonst entlässt man mich. Und ich brauche den Job, solange ich nicht ganz sicher bin, ob ich Gabriel … heirate. Meine Ersparnisse sind nicht der Rede wert. Mia und ich würden sozusagen auf der Straße stehen.“
„Mein Vater ist großzügig. Selbst wenn Sie sich gegen die Heirat entscheiden, wird er so etwas niemals zulassen.“
Als würde das eine Rolle spielen, denn sie würde ganz bestimmt keine Almosen annehmen. Und selbst wenn sie ihren Stolz überwand: Wusste sie denn, ob Gabriel sich wirklich so großzügig zeigen würde?
Marcus musste ihre Gedanken erraten haben, denn er meinte: „Wenn mein Vater nicht für Sie sorgen sollte, dann werde ich das übernehmen.“
Seine Worte überraschten sie. „Warum? Heute Nachmittag waren Sie noch überzeugt, ich würde ihn nur ausnehmen wollen.“
Marcus lachte herzlich. „Ich verstehe Sie nicht. Erst fordern Sie, ich solle Ihnen eine Chance geben, und wenn ich das dann mache, hinterfragen Sie meine Motive. Vielleicht sollten Sie mir einmal eine Chance geben.“
„Sie haben recht. Ich bin nur gerade ganz verwirrt.“ Sie strich ihm leicht über den Arm. Seine Haut fühlte sich warm an. „Es tut mir leid.“
Er sah ihre Hand an, die noch auf seinem Arm lag, dann schaute er ihr in die Augen. „Entschuldigung angenommen.“
Unter seinem Blick wurde Vanessa ganz nervös. Sie spürte, wie ihr Herz zu rasen begann.
Es ist nur der Wodka, versuchte sie sich zu beruhigen. Beiläufig zog sie die Hand zurück und widmete sich ihrem Drink.
„Möchten Sie noch einen?“
Erst jetzt bemerkte sie, dass ihr Glas schon leer war, während seines noch halb voll war.
Was sollte schon schlimm sein an einem weiteren Drink? Hatte sie ihn nicht verdient nach dem, was sie gerade erfahren hatte? „Ach, warum eigentlich nicht? Ich muss ja schließlich nicht mehr mit dem Wagen nach Hause fahren.“
Marcus machte eine unbestimmte Geste, auf die George nur gewartet haben musste, denn wenige Augenblicke später kam er schon mit einem neuen Drink. Entweder war dieser nicht so stark, oder der erste hatte bei Vanessa schon Wirkung hinterlassen. Auf jeden Fall brannte der Wodka ihr nicht mehr im Hals.
„Wäre es allzu indiskret, wenn ich frage, warum Sie Ihr Handy ertränkt haben?“
„Wegen einer hartnäckigen Ex-Freundin.“
„Dann haben wohl Sie die Dame verlassen?“
„Ja. Nachdem ich sie mit meinem besten Freund auf dem Rücksitz meines Wagens erwischt habe.“
Dann hatte er also seine Mutter, seine Freundin und seinen besten Freund verloren. Schlimmer ging es wohl kaum. „Das tut mir leid.“
Marcus bewegte die Füße langsam im Wasser vor und zurück. Dabei streifte er sie mit dem linken Fuß. Vanessa hätte fast aufgeschrien.
„Beide haben sie dem anderem die Schuld gegeben. Sie versucht immer noch, mich zu überzeugen, er habe sie unter einem Vorwand ins Auto gelockt und sei dann sozusagen über sie hergefallen. Und er behauptet, dass sie ihn ins Auto gelockt hat und die Initiative von ihr ausging.“
„Wem glauben Sie?“
„Keinem von beiden. Als ich sie entdeckt habe, war ich wie unter Schock. In der Zeit hat sie sich jedenfalls nicht gewehrt. Außerdem waren sie beide nicht gerade leise. Das spricht wohl für sich.“
Erneut berührte er sie mit dem Fuß. Es war wie ein kleiner Stromstoß.
„Haben Sie sie geliebt?“
„Damals dachte ich es, aber heute weiß ich, dass ich sie nur begehrt habe.“
„Manchmal ist es nicht so einfach, den Unterschied zu erkennen.“
„Geht es Ihnen so mit meinem Vater?“
Nein, was Vanessa für Gabriel empfand, war
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