Julia Extra Band 376
kein Begehren. „Überhaupt nicht. Gabriel ist ein guter Freund, und ich liebe und respektiere ihn genau dafür. Was das Begehren betrifft, daran müssen wir wohl noch arbeiten.“
Ihre Ehrlichkeit schien Marcus zu überraschen. „Und er weiß um Ihre Gefühle?“
„Ich war immer vollkommen ehrlich zu ihm. Er ist überzeugt, dass ich ihn irgendwann lieben werde. Und ich hoffe, er hat recht.“
Schon wieder streifte sein Fuß ihren. Vanessa hätte schwören können, dass es dieses Mal absichtlich geschehen war. Warum wünschte sie sich, er möge sie auch woanders berühren – aber mit den Händen …
Weil du ein echtes Problem hast, meine Liebe. Diese Gewissheit hinderte sie keineswegs daran, sich auf die Ellenbogen zurückzulehnen und dabei ihr rechtes Bein wie zufällig so zu bewegen, dass es an seinem Oberschenkel entlang strich.
Was sie jetzt spürte, das war ohne jede Frage Begehren. Und das durfte nicht sein.
„Letzte Woche habe ich erfahren, dass die Firma ihres Vaters finanzielle Probleme hat und vor dem Zusammenbruch steht“, sagte Marcus. Es dauerte eine Sekunde, ehe Vanessa verstand, von wem er sprach. „Vermutlich hat sie geglaubt, sie müsste sich nur einen Prinzen angeln, und schon wäre ihr Vater vor dem Bankrott gerettet.“
„Sie glauben also, sie wollte Sie nur benutzen?“
„Da bin ich mir ziemlich sicher.“
Das erklärte zumindest, warum er ihr gegenüber so misstrauisch war. Offensichtlich musste er noch immer an seine Ex denken. Voller Abscheu schüttelte Vanessa den Kopf. „Was für eine Schlampe.“
Marcus riss die Augen auf, und sie schlug sich die Hand vor den Mund. Warum konnte sie nicht ein einziges Mal ihre Zunge im Zaum halten? „Entschuldigung, das war völlig unangemessen.“
Doch Marcus schien nicht etwa wütend oder entrüstet zu sein. Stattdessen lachte er laut auf.
„Nein, Sie ahnen gar nicht, wie angemessen das war. Unglücklicherweise war sie nicht die erste Frau von der Sorte. Aber meistens erkenne ich schneller, wenn ich es mit ihresgleichen zu tun habe. Wahrscheinlich habe ich mich nach dem Tod meiner Mutter so sehr nach Liebe gesehnt, dass ich blind war für die Realität.“
„Was ich Ihnen jetzt sage, klingt vielleicht merkwürdig. Aber als ich noch zur Schule ging, habe ich einmal meinen Freund mit meiner sogenannten besten Freundin auf dem Rücksitz erwischt.“
„Und was haben Sie gemacht?“
„Ich habe mit einem Stein die Rückscheibe eingeschlagen.“
Er lachte. „Vielleicht hätte ich das auch machen sollen.“
„Ich war total wütend, denn kurz vorher hatte ich noch ein Geschichtsreferat für ihn geschrieben, für das er eine Eins bekommen hat. Eine meiner ‚Freundinnen‘ hat mir anschließend erzählt, er sei nur mit mir ausgegangen, weil ich so klug war und wir so viele Fächer zusammen hatten. Er wollte nur, dass ich ihm helfe. Und ich war so dumm, ihn immer die Hausaufgaben abschreiben zu lassen. Wenn seine Noten zu schlecht gewesen wären, hätte man ihn aus dem Footballteam geschmissen. Er hat mich einfach ausgenutzt. Und so gut wie jeder wusste das.“
„Nur Ihnen hat es niemand gesagt?“
„Genau. Zum Glück wurde mein Vater einen Monat später versetzt. Ausnahmsweise war ich ganz froh darüber.“
„Aber Sie haben ihn doch zumindest beim Direktor gemeldet, oder?“
„Ich wäre wirklich gern zu den Lehrern und zum Direktor gegangen und hätte ihnen gestanden, dass in Wirklichkeit ich seine Aufgaben erledigt hatte. Dann wäre er nicht nur aus dem Team geworfen worden, sondern auch von der Schule.“
„Und warum haben Sie es nicht gemacht?“
„Weil man dann auch mich von der Schule geworfen hätte. Mein Vater hätte mich umgebracht. Ganz zu schweigen davon, wie peinlich es gewesen wäre. Mir hätte klar sein müssen, dass dieser Typ sich nicht wirklich für ein Mädchen wie mich interessierte, das ihn noch nicht einmal ranließ.“
„Sie sollten nicht sich selbst die Schuld geben. Sie vertrauen den Menschen, das ist gut. Nicht alle Männer nutzen die Frauen aus.“
„Aber zumindest alle, mit denen ich zusammen war. Wenn es eine Rubrik im Guinnessbuch gäbe wie Größtes Pech mit Männern , dann würde da mein Name stehen. Als Mias Vater mich verlassen hat, habe ich mir geschworen, nie wieder einem Mann blind zu vertrauen. Bis ich Gabriel getroffen habe. Er ist einfach so … wunderbar. Bei ihm hatte ich von Anfang an das Gefühl, ich wäre etwas Besonderes.“
„Das sind Sie auch für ihn. Als er wieder
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