Julia Extra Band 376
Bildschirm erschien ein Foto ihrer acht Enkel. Gerade als sie sich zu Marcus umdrehte, konnte er ein Gähnen nicht unterdrücken.
„Müde?“, fragte sie.
Seit Monaten kämpfte er gegen seine Schlaflosigkeit. Er war eigentlich immer müde. Um einem erneuten Vortrag von Cleo zu entgehen, meinte er: „Ich werde ganz gewiss wieder gut schlafen, wenn sie erst verschwunden ist.“
„Ist sie denn so schlimm?“
„Sie ist furchtbar.“
„Und das wissen Sie schon nach dreißig Minuten, die Sie mit ihr verbracht haben?“
„Ich habe es schon nach fünf Minuten gewusst. Schon in dem Moment, als sie aus dem Flugzeug stieg.“
Cleo lehnte sich nach vorn und stützte die Ellbogen auf den Tisch. Weißes Haar umspielte ihr Gesicht. Trotz ihres Alters wirkte sie immer noch jung. „Und wodurch?“
„Sie ist nur hinter seinem Geld her.“
„Das hat sie Ihnen gesagt?“
„Das war nicht nötig. Sie ist jung, schön und alleinstehende Mutter. Was sollte sie sonst von einem Mann im Alter meines Vaters wollen?“
„Der König ist ein attraktiver und charmanter Mann. Warum sollte sie sich also nicht in ihn verliebt haben?“
„In den paar Wochen?“
„Ich habe mich gleich am ersten Abend in meinen Mann verliebt. Sie sollten nicht unterschätzen, welche Macht die körperliche Anziehungskraft besitzt.“
Marcus zuckte zusammen. Die Vorstellung, dass sein Vater und diese Frau … Daran wollte er noch nicht einmal denken. Obwohl es kaum einen Zweifel daran geben konnte, dass sie seinen Vater verführt hatte. Er kannte solche Frauen und ihre Tricks aus eigener Erfahrung. Was für ein leichtes Opfer sein trauernder Vater gewesen sein musste, trotz seiner eigentlich unerschütterlichen Moral.
Cleo unterbrach seine Gedanken. „Ist sie wirklich so schön, wie Ihr Vater gesagt hat?“
„Ja. Und sie hat ein uneheliches Kind.“
Cleo rang nach Luft und schlug die Hände zusammen. „Hängt sie auf!“
Marcus starrte sie an.
„Sie wissen schon, in welchem Jahrhundert wir leben, oder? Emanzipation, Gleichberechtigung, all das?“
„Natürlich. Aber mein Vater? Dem die Tradition heilig ist … Er ist einsam und vermisst meine Mutter, eine andere Erklärung gibt es nicht.“
„Sie trauen ihm nicht sehr viel zu, oder? Der König ist ein sehr intelligenter Mann.“
Ja, das war er. Allerdings war es momentan offensichtlich nicht der Verstand, von dem sein Vater sich steuern ließ.
Vanessa schreckte hoch. Ihr Herz raste, und sie brauchte einen Moment, um sich zu orientieren.
Zunächst dachte sie, sie hätte den ganzen Tag verschlafen, doch dann sah sie, dass nur jemand die Vorhänge zugezogen hatte. Sie griff nach dem Handy, um zu sehen, wie spät es war. Erleichtert stellte sie fest, dass nur eineinhalb Stunden vergangen waren. Gabriel hatte nicht angerufen.
Sie wählte noch einmal seine Nummer. Wieder nur die Mailbox. Sie legte auf und holte ihren Laptop hervor. Vielleicht hatte er ja eine E-Mail geschickt. Allerdings kam sie nicht ins Internet, da das Netzwerk geschützt war. Sie musste erst jemanden nach dem Passwort fragen.
Seufzend schloss sie den Laptop. Karin hatte sie nicht geweckt, also schlief Mia wohl noch. Da Vanessa sich nicht um ihre Tochter kümmern musste, wusste sie kurz nicht, was sie machen sollte. Dann fiel ihr das Gepäck ein, das noch ausgepackt werden musste. Als sie den begehbaren Schrank öffnete, sah sie, dass all ihre Sachen bereits ordentlich verstaut worden waren.
Das Dienstmädchen musste im Zimmer gewesen sein. Vanessa gefiel nicht, dass Fremde all ihre Sachen in die Hand genommen hatten. Aber wahrscheinlich musste sie sich hier daran gewöhnen.
Sie zog ihre zerknitterten Sachen aus und streifte eine Yogahose sowie ein einfaches Baumwolltop über. Ihr Magen machte sich bemerkbar, und sie fragte sich, wann man sie wohl zum Dinner rief. Mit dem Handy in der Hand ging sie in das Wohnzimmer ihrer Suite. Sonnenschein durchflutete den Raum und lockte sie zum Balkon. Als sie die Balkontür öffnete, wehte ihr heiße Luft entgegen.
Sie trat auf den Balkon und schaute sich neugierig um. Ein verschnörkeltes Geländer schloss die kleine Fläche ab, rundherum standen Kübel mit exotischen Pflanzen. Vanessa ließ den Blick über die endlosen Rasenflächen schweifen, die von Blumenbeeten aufgelockert wurden und von schattigen Alleen umgeben waren. Direkt unterhalb des Balkons lag der große Swimmingpool, von dem Gabriel ihr erzählt hatte. Er hatte ihn bauen lassen, weil sein Sohn früher
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