Julia Extra Band 377
schlecht, weil sie finanzielle Probleme hatte, nicht weil sie ein eigenes Zimmer vermisste.
„Mit anderen Worten, es ist die perfekte Lösung.“
Zoe ignorierte seinen ironischen Unterton. „Das nicht, aber ein guter Kompromiss.“ Als wüsste er, was Kompromisse sind, dachte sie. „Und falls Sie glauben, die Anwesenheit der Zwillinge würde sich negativ auf meine Arbeit auswirken – genau das Gegenteil ist der Fall.“
„Tatsächlich?“
„Ich trage die Verantwortung für zwei Kinder, und das bedeutet, dass ich absolut zuverlässig bin.“ Und keinen Stolz habe, ließ sich wieder die innere Stimme vernehmen.
„Sie meinen, Sie brauchen diesen Job so dringend, dass Sie sich jede scharfe Bemerkung verkneifen.“
Genau, dachte Zoe. Sonst hätte sie ihm in diesem Moment auch gesagt, er solle gefälligst nicht auf ihren Mund starren.
Wehmütig dachte sie an jene Zeit, als vorübergehender Geldmangel für sie bedeutet hatte, dass sie sich ein bestimmtes Paar Schuhe verkneifen musste. Leider lagen die Dinge nicht mehr so einfach. Noch immer zerbrach sie sich den Kopf darüber, wie sie die neuen Schuluniformen bezahlen sollte, denn die Zwillinge hatten einen Wachstumsschub durchgemacht.
„Das klingt so, als wäre es eine Dauerlösung. Ich dachte, die Kinder würden die Ferien bei Ihnen verbringen.“
Und ich hätte ihn in dem Glauben lassen können, überlegte sie. Der Mann ist so selten hier, dass er es gar nicht gemerkt hätte. Aber ich konnte ja wieder mal nicht die Klappe halten.
„Nein. Es sind die Kinder meiner Schwester.“ Zoe schluckte. Sie wollte nicht über die Einzelheiten des Unfalls sprechen, bei dem der betrunkene Geisterfahrer frontal mit ihrer Schwester und ihrem Schwager zusammengestoßen war, aus Angst, sie würde dann zu schreien beginnen. „Sie und ihr Mann sind gestorben. Ich bin der Vormund der Kinder.“
„Das tut mir leid.“
Zoe nickte nur, denn sie brachte kein Wort heraus.
Die Psychologin, mit deren Hilfe sie ihre Trauer verarbeitete, hatte gesagt, diese Wut wäre ganz normal und würde sich irgendwann legen. Aber selbst sechs Monate nach jenem schrecklichen Tag konnte Zoe sich nicht vorstellen, je mit dem Verlust fertigzuwerden.
„Das ist ganz schön viel Verantwortung für eine so junge Frau wie Sie.“
„Das ist relativ, oder?“ Erst vergangene Woche hatte sie eine Dokumentation gesehen. Dort hatte man eine Woche lang Jugendliche begleitet, die ihre körperbehinderten Eltern versorgten. Sie hatte sich geschämt, weil sie es im Vergleich zu diesen Kindern leicht hatte.
Isandro schüttelte den Kopf. „Es muss doch jemanden geben, der besser für diese Kinder sorgen kann, oder?“
„Ich bin die einzige Angehörige meiner verstorbenen Schwester, und ihr Mann Dan hatte gar keine Familie mehr. Es gäbe dann nur noch das Heim.“ Und das würde sie mit allen Mitteln verhindern. Die Kinder sollten so glücklich wie möglich aufwachsen.
Zoe schloss die Augen und rief sich das Gesicht ihrer Schwester ins Gedächtnis. Warum hatte ausgerechnet sie sterben müssen? Das Leben war so unfair!
Als sie die Lider wieder öffnete, stellte sie fest, dass Isandro sie zynisch betrachtete.
„Ich schätze, dies ist nicht Ihr Traumberuf.“
Nachdem sie kurz überlegt hatte, erwiderte sie ehrlich: „Ich hatte nie genaue Vorstellungen davon, was ich aus meinem Leben machen soll.“
Sie hatte es mit ihrer Zukunftsplanung nicht eilig gehabt. Sie reiste gern, und sie lernte gern Menschen kennen.
Zoe lächelte zuversichtlich. „Aber ich gebe immer hundert Prozent, und ich werde alles tun, um diesen Job zu behalten … wirklich alles“, fügte sie mit Inbrunst hinzu.
„Alles?“
Sein Tonfall verunsicherte sie ein wenig, doch sie würde nicht nachgeben. Also nickte sie.
Mit undurchdringlicher Miene wischte Isandro sich einen unsichtbaren Fussel von seinem schwarzen Poloshirt. „Falls Sie mir sexuelle Gefälligkeiten anbieten – die bekomme ich normalerweise umsonst.“
Sie ballte die Hände zu Fäusten und atmete tief durch. Er provozierte sie, wohl wissend, dass sie sich nicht wehren konnte. Aber wenigstens hatte sie von ihm nichts zu befürchten. Er war viel zu versnobt, um mit seinen Bediensteten zu schlafen.
Und wenn er es doch in Erwägung zog?
Prompt wurde ihr Körper von Hitzewellen durchflutet, und sie konnte sich nicht dagegen wehren. Schnell senkte sie den Blick und verschränkte die Arme vor der Brust. Zum Glück trug sie ein weites T-Shirt, sonst hätte Isandro
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