Julia Extra Band 377
Ally schaute sich nach ihrer Handtasche um. Vergeblich. Entweder lag die noch in der Limousine oder war mit den beiden Koffern ins Haus gebracht worden. Ally war so durcheinander, dass sie sich nicht erinnern konnte, ob sie die Handtasche mit nach oben gebracht hatte oder nicht. Siedend heiß fiel ihr ein, dass sich das Geldbündel in der Tasche befand. Woher kam dieses Geld überhaupt? Sie wünschte, sie könnte Alex fragen, ob sie es Rocco Montano gestohlen hatte, wie Vittorio behauptete. Eigentlich traute Ally ihr so etwas nicht zu. Aber Alex war ja manchmal wirklich unberechenbar.
„Ach, Ghita? Könnten Sie mir bitte meine Handtasche bringen? Ich muss sie im Wagen vergessen haben oder auf einem der Tische im Foyer. Ich brauche eine Kopfschmerztablette.“
„ Si.“ Ghita lächelte beruhigend. „Ich werde mich sofort darum kümmern.“
Wenige Minuten später kehrte sie mit der Handtasche zurück, reichte sie Ally und schenkte ein großes Glas Wasser ein. „Die Paparazzi sind stupido . Sie denken sich Geschichten aus, um mehr Zeitungen zu verkaufen.“ Abfällig verzog Ghita das Gesicht.
„Wirklich?“ Geistesabwesend griff Ally nach dem Glas und schluckte zwei Kopfschmerztabletten mit etwas Wasser hinunter.
„Natürlich! Warum sollten Sie Signor Vassallos schönes Auto zerkratzen, wenn sie Roccos Geliebte wären? Sie haben sich gestritten, si ? Weil Signor Vittorio sich nicht öffentlich zu Ihnen bekannt hat. Sie waren eben wütend. Und es spielt auch keine Rolle, dass Sie geschieden sind. Wir leben schließlich im einundzwanzigsten Jahrhundert. Jetzt ist alles wieder gut, oder? Sie haben sich vertragen und wohnen jetzt hier. Das hat vor Ihnen noch keine geschafft“, fügte Ghita bewundernd hinzu. „Zeit für eine celebrazione, no ?“
Nach einer Feier war Ally nun ganz und gar nicht zumute, doch das verbarg sie natürlich vor der netten jungen Frau und lächelte tapfer. „Das ist eine gute Idee“, behauptete sie.
4. KAPITEL
Erleichtert ließ Ally sich auf eins der Sofas in der Suite fallen, als die junge Hausangestellte endlich das Zimmer verlassen hatte. Völlig erschöpft schloss sie die Augen und hoffte, dass die Tabletten bald wirkten. Auf einen Schlag allen ihren Prinzipien untreu zu werden war offensichtlich zu viel Stress. Dabei hatte die Scharade gerade erst begonnen! Und Vittorio Vassallos Schlafzimmer grenzte an ihr eigenes. Verflixt, sie hatte die Verbindungstür noch nicht abgeschlossen. Er könnte also jeden Augenblick hier hereinspazieren und versuchen, seine angebliche Geliebte zu verführen. Zuzutrauen wäre es ihm, denn er begehrte sie. Wahrscheinlich betonte er deshalb ununterbrochen, sie sei nicht sein Typ. Reiner Selbstschutz, dachte Ally. Sie konnte das so gut nachvollziehen, weil es ihr genauso ging. Für sie stand aber viel mehr auf dem Spiel: ihre Unberührtheit.
Ally hatte bisher einfach noch nicht den Richtigen gefunden. Außerdem hatte sie durch die Verantwortung für Alex kaum Zeit gehabt, ihr eigenes Leben zu führen. Erst als ihre Zwillingsschwester nach London gegangen war, war die Last auf Allys Schultern etwas leichter geworden. Doch dann hatte Alex den Selbstmordversuch verübt, und alles war noch viel schlimmer geworden.
Verzweifelt ballte Ally die Hände zu Fäusten. Sie würde alles dafür tun, dass Alex diese Lebenskrise heil überstand.
Sie zuckte zusammen, als es an der Tür klopfte. Ally rappelte sich hoch und ging zur Tür. Hoffentlich war es die fröhliche Ghita, die frisches Wasser brachte. Der Krug war nämlich inzwischen fast leer.
Vittorio kam herein. Sein erster Blick fiel auf die Verbindungstür. „Du hast sie nicht abgeschlossen.“ Fragend schaute er Ally an. „Vertraust du darauf, dass ich dich in Ruhe lasse, oder hoffst du, ich erliege wie Rocco deinen Reizen?“
„Mit dir würde ich weder für Geld noch für gute Worte schlafen“, entgegnete sie giftig.
„Bist du sicher?“
„Du weißt, dass ich mit Rocco geschlafen habe, weil ich mich in ihn verliebt hatte. Geld war dabei überhaupt nicht im Spiel.“ Herausfordernd schaute sie ihn an.
„Trotzdem hast du genommen, was du kriegen konntest.“
„Das stimmt nicht! Ich wusste ja nicht einmal, dass Rocco vermögend ist. Hast du schon mal von Liebe auf den ersten Blick gehört? Es knistert vom ersten Augenblick an. Oder es macht klick, wenn man intellektuell oder spirituell auf einer Wellenlänge liegt.“
„Du bist tatsächlich so überzeugend, wie Rocco gesagt hat. Er hat mich
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