Julia Extra Band 377
gestand Zahir widerstrebend. „Anfangs hatte ich wirklich keine Ahnung, womit ich es zu tun hatte. Omar hatte mich immer abgeschirmt und mir vieles verschwiegen. Ich war ja der zweitgeborene Sohn und hatte mich zum Dienst als Heeresoffizier verpflichtet. Somit gehörte ich nicht zum engsten Führungskreis und wusste nicht, dass die uneingeschränkte Macht ein Monster aus meinem Vater gemacht hatte.“
„Dann hast du unsere Heirat sicher bald bereut“, vermutete Saffy und blickte forschend in das geliebte Gesicht, bevor sie sich auf der Bettkante niederließ. In diesem Bett hatte sie sich vor Einsamkeit oft die Augen ausgeweint.
Zahir presste die sinnlichen Lippen zusammen. „Nein, ganz sicher nicht. Aber ich habe sehr bedauert, unter welchen Umständen du hier leben musstest.“
„Das ist nett von dir, aber so ganz nehme ich dir das nicht ab.“
„Ich habe dich mehr geliebt als mein Leben“, gestand Zahir heiser. „Leider habe ich den Fehler gemacht, gegen meinen Vater zu rebellieren. Ich konnte ja nicht ahnen, dass er dich quasi in Geiselhaft nehmen würde. Du hättest nach unserer Hochzeit in London bleiben müssen. Dort wärst du sicher gewesen. Ich war zu egoistisch, wollte dich bei mir haben.“
Saffy hatte nur den ersten Satz registriert. Zahir liebt mich, dachte sie überglücklich. „Ich liebe dich auch. Du warst nicht egoistisch. Und ich wäre nicht ohne dich in London geblieben.“
„Wir konnten ja beide nicht wissen, was uns hier erwartet.“ Zahir schüttelte traurig den Kopf. „Omar war seit fünf Jahren verheiratet und noch immer nicht Vater geworden. Unser Vater wartete ungeduldig darauf, dass die nächste Generation der Quarishis geboren wurde.“
„Das muss Omar und Azel ganz schön unter Druck gesetzt haben.“
„Ja. Wie sich herausstellte, war Omar zeugungsunfähig. Das habe ich aber erst kurz vor seinem Tod erfahren. Mein Vater wusste es eher und wollte Omar bei der Thronfolge übergehen und mich zum Thronfolger bestimmen. Meine Heirat durchkreuzte seine Pläne. Er hatte nämlich schon eine passende Frau für mich gefunden.“
„Oje. Kein Wunder, dass er so wütend war“, sagte Saffy, die plötzlich die Zusammenhänge zu erkennen meinte. „Aber du dachtest doch, er würde mich schon irgendwann akzeptieren.“
„Ich habe mich leider geirrt. Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass mein Vater so grausam gegen seine eigene Familie sein könnte.“
„Niemand möchte schlecht von seinen Eltern denken“, erklärte Saffy verständnisvoll.
„In dem Jahr unserer Heirat muss mein Vater völlig die Kontrolle über sich verloren haben. Wie ich später erfahren habe, nahm er regelmäßig Drogen und hatte immer wieder fürchterliche Wutausbrüche. Gleich am ersten Tag in Maraban verlangte er von mir, mich sofort wieder scheiden zu lassen. Wäre ich vernünftig gewesen, hätte ich gehorcht. Aber meine Vernunft schaltet sich aus, wenn es um dich geht.“
„Was ist passiert, Zahir?“, fragte sie bedrückt. „Akram hat fürchterliche Dinge behauptet.“
Er hielt ihrem ängstlichen Blick stand. „Ich wünschte, Akram hätte einmal den Mund gehalten. Auf dieses Gespräch hätte ich gern verzichtet, Saffy.“
Sie fing an zu zittern. „Dann ist es also wahr, dass dein Vater dir das alles angetan hat? Du warst gar nicht auf Wehrübungen, als du wochenlang fort warst?“
Zahir nickte.
Entsetzt schloss Saffy die Augen. Wie hatte sie nur so blind sein können? Nach wochenlanger Abwesenheit war Zahir jedes Mal schmutzig, voller blauer Flecken und abgemagert zurückgekehrt. Und sie hatte nie Verdacht geschöpft, dass etwas an der Behauptung nicht stimmen konnte, er wäre zu Truppenübungen fort gewesen. Verzweifelt vor Kummer darüber, was er alles hatte ertragen müssen, schluchzte sie auf und fragte mit tränenerstickter Stimme: „Warum hast du mir nichts gesagt?“
„Ich wollte dich nicht beunruhigen. Du hättest ja nichts tun können. Omar hatte recht: Ich hätte dich niemals nach Maraban bringen dürfen. Unser Vater war wahnsinnig geworden, duldete keinen Widerspruch. Wenn sich jemand seinen Anweisungen widersetzte, wurde er so lange misshandelt, bis er nachgab.“
„Und das alles, weil du mich geheiratet hast.“ Fassungslos weinte sie still vor sich hin.
„Nur der Gedanke an dich hat mich am Leben erhalten“, gestand Zahir heiser. „Sieh mich an, Saffy!“
„Nein!“ Abrupt stand sie auf. „Ich muss allein damit klarkommen.“ Sie versuchte, sich an ihm
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