Julia Extra Band 377
vorbeizudrängen, doch er hielt sie fest.
„Ich habe geschworen, dich nie mehr zu belügen, Saffy. Aber über diesen Abschnitt in meinem Leben hätte ich lieber Stillschweigen bewahrt.“
„Was du nicht sagst! Du hast die ganze Zeit still vor dich hin gelitten und dich auch noch von mir anschreien lassen, weil du mich so lange allein gelassen hattest. O Zahir! Ich fühle mich wie das gemeinste Miststück aller Zeiten.“
Das Gesicht tränenüberströmt, befreite sie sich aus Zahirs Griff und flüchtete. Sie machte sich schreckliche Vorwürfe, so naiv und unwissend gewesen zu sein. Wäre sie weniger mit ihren eigenen Problemen beschäftigt gewesen, hätte sie wahrscheinlich gemerkt, was mit Zahir geschah. Vielleicht aber auch nicht, weil diese eiskalte Grausamkeit ihre Vorstellungskraft überforderte. Wie soll ich mir jemals verzeihen, keinen Verdacht geschöpft zu haben? dachte sie völlig verzweifelt, als sie sich schließlich in ihr neues Schlafzimmer zurückzog. Von Bildern gepeinigt, wie der stolze, stets anständige Zahir misshandelt wurde, lief sie gleich darauf ins Badezimmer, weil ihr sofort übel wurde.
Erschöpft hielt sie sich schließlich am Waschtisch fest und betrachtete sich vorwurfsvoll im Spiegel. Wie konnte ich nur so blind sein? fragte sie sich immer wieder.
„Genau deshalb wollte ich nicht, dass du davon erfährst. Es war allein meine Schuld. Du solltest nicht darunter leiden.“
Erschrocken wandte sie sich um. Zahir stand an der Tür – und sah unwiderstehlich aus in schwarzen Jeans und blütenweißem Hemd. Sie liebte ihn so sehr, bewunderte ihn, sorgte sich um ihn. „Wie kann es deine Schuld gewesen sein, Zahir?“, fragte sie ungläubig.
„Ich habe dich geheiratet, dich hergebracht, und uns beide in Gefahr gebracht“, erklärte er harsch. „Das werde ich mir nie verzeihen.“
„Du hättest dich sofort von mir trennen müssen, als die Folter anfing. Wieso hast du das alles nur meinetwegen über dich ergehen lassen?“
Ein wehmütiges Lächeln huschte über sein Gesicht. „Ich habe dich so sehr geliebt, ich konnte dich nicht aufgeben.“
„Ich hätte niemals erlaubt, dass du all das erträgst. Wofür überhaupt? Wir konnten ja nicht einmal Sex haben“, schluchzte sie verzweifelt.
„Sex war damals meine geringste Sorge“, gestand er, kam näher und streckte die Hand nach ihr aus. Als Saffy sie zögernd umfasste, zog Zahir sie an sich. „Leider konnte ich niemanden um Hilfe oder um einen Rat für unsere Probleme bitten. Mein Vater hätte sofort davon erfahren und erst recht auf unserer Scheidung bestanden.“
Bedrückt ließ Saffy den Kopf hängen, dann lehnte sie sich an Zahir und atmete seinen unwiderstehlichen Duft ein. Sie war süchtig nach diesem Mann! „Nur gut, dass du schließlich doch die Scheidung eingereicht und diesem grausamen Ungeheuer nachgegeben hast.“
„Ich habe es für dich getan, Saffy, nicht um meiner selbst willen.“ Zärtlich küsste er sie auf den Scheitel. „Ich bin kein Heiliger, wie du offensichtlich glaubst. Ich habe viele Sachen völlig falsch eingeschätzt.“
Saffy sah auf. „Zum Beispiel?“
„Zum Beispiel, dich vor fünf Jahren mit nach Maraban genommen zu haben.“ Zahir atmete tief durch. „Drei Monate nach Omars Tod fand ich heraus, dass mein Bruder ermordet worden war.“
„Nein!“ Entsetzen malte sich auf Saffys Gesicht.
„Einer der Generäle hat mich ins Vertrauen gezogen, weil die Führungsoffiziere das Terrorregime meines Vaters nicht mehr tolerieren wollten. Omar wurde von den Schergen meines Vaters zu Tode geprügelt. Der Autounfall diente der Vertuschung. Durch dieses Verbrechen wurde mir endgültig klar, dass mein Vater wahnsinnig geworden war.“
„Das kann doch nicht wahr sein. Bist du sicher?“ Saffy konnte das alles nicht glauben.
„Leider ja. Und das hat mich schließlich zur Scheidung bewogen, denn auch dein Leben war hier in Gefahr. Mein Vater wollte dich ja loswerden. Und ich hatte keine andere Möglichkeit, dich zu beschützen. Es ist furchtbar, dass Omar sterben musste, um mich zu dieser Einsicht zu bringen.“
Vor ihren Augen drehte sich alles. Sie musste sich setzen. „Deshalb die völlig überraschende Scheidung“, sagte sie schließlich leise. „Du hast wirklich geglaubt, ich wäre in Gefahr. Warum hast du mir damals nicht die Wahrheit gesagt, Zahir?“
„Weil sie dich in Panik versetzt hätte, und weil ich mich geschämt habe, nicht einmal für meine eigene Sicherheit sorgen zu
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