Julia Extra Band 377
gar nichts.“
„Ebenso wenig, wie dir bekannt ist, dass mein Bruder, der König, sich gezwungen sieht, öffentlich Lügen zu verbreiten, um dich zu schützen?“, fragte eine laute Männerstimme hinter ihnen.
Erstaunt fuhren beide Frauen herum.
„Akram!“ Hayat warf ihrem Bruder einen warnenden Blick zu, bevor sie sich wieder Saffy zuwandte und verlegen raunte: „Bitte entschuldige uns einen Moment.“
Doch Akram hatte sich so sehr in seine Wut hineingesteigert, dass er nicht zu bremsen war. „Du hast meinen Bruder verlassen, nach allem, was er über sich hat ergehen lassen, um gegen den Willen unseres Vaters mit dir verheiratet zu bleiben“, warf er ihr mit hasserfülltem Blick vor. „Zahir saß deinetwegen im Kerker, wurde gefoltert und geprügelt, und du hast ihn im Stich gelassen, als er dich am nötigsten gebraucht hätte.“
Verzweifelt versuchte Hayat, ihren Bruder zu besänftigen und wegzuzerren.
Saffy war zu schockiert über Akrams ungeheuerlichen Vorwurf, um auch nur ein Wort zu sagen. Wovon sprach der Mann? Zahir war eingekerkert gewesen und gefoltert worden?
„Schon gut, Hayat. Ich kümmere mich darum.“ Eine vertraute Männerstimme fuhr in schneidendem Tonfall dazwischen und brachte die zankenden Geschwister sofort zum Schweigen.
Noch immer zitternd unter dem Eindruck der schockierenden Vorwürfe, wandte Saffy sich ihrem Mann zu, der zunächst in der Landessprache auf Akram einredete. Hayat war zurückgewichen und hatte entschuldigend den Kopf gesenkt. Akram wandte sich schließlich völlig konsterniert zu Saffy um, machte einen Schritt auf sie zu, und blieb wieder stehen. Nach einem kurzen Blick auf Zahir, kam er näher und sagte leise zu ihr: „Es tut mir sehr leid. Anscheinend habe ich alles falsch verstanden.“
„Das hast du wohl“, antwortete Saffy mit brüchiger Stimme. „ Zahir hat damals die Scheidung eingereicht.“
„Ich hatte kein Recht, dich so anzufahren. Zumal es mich auch gar nichts angeht“, fügte der junge Mann kleinlaut hinzu. „Ich habe wohl die falschen Schlüsse gezogen, und wie mein Bruder mir gerade zu verstehen gegeben hat, hatte ich keine Ahnung, was tatsächlich zwischen euch passiert ist.“
Peinlich berührtes Schweigen trat ein. Zahir musterte seinen jüngeren Bruder noch immer wütend.
„Schon gut“, sagte Saffy schließlich, um die gespannte Atmosphäre zu entschärfen. „Ich nehme an, Zahir hat dir gerade erzählt, was wirklich passiert ist. Vielleicht könntest du deine schlechte Meinung von mir noch einmal überdenken.“ Sie stand auf. „Wenn ihr mich jetzt bitte entschuldigen würdet …“
„Wohin willst du?“, fragte Zahir sofort beunruhigt.
„Ich möchte einen kleinen Spaziergang machen, und zwar allein.“
„Ich begleite dich.“
„Bitte, Zahir. Ich möchte nur eine Minute für mich haben, um mich zu sammeln.“ Sie musste erst mal verarbeiten, was sie von Akram erfahren hatte. Niemals wäre sie auf die Idee gekommen, der alte König hätte seinen eigenen Sohn foltern lassen, weil der gegen seinen Willen geheiratet hatte! Unvorstellbar … Doch dann fiel ihr Zahirs vernarbter Rücken ein. Außerdem hatte sie Gerüchte über die Grausamkeiten König Fareeds gehört. Sie schauderte vor Entsetzen. Warum hatte Zahir ihr nie erzählt, was er hatte erdulden müssen?
Als Saffy, die sich geistesabwesend in Bewegung gesetzt hatte, schließlich aus ihrer Trance erwachte, bemerkte sie, dass ihre Schritte sie zum alten Teil des Palasts geführt hatten, in dem sie damals gelebt hatte. Sie schlenderte einen dunklen Korridor entlang und stieß die Tür zu dem Zimmer auf, das sie mit Zahir bewohnt hatte. Hier hatte sich nichts verändert. Zögernd betrat sie den Raum. Sofort wurden Erinnerungen wach.
Zahir, der sie argwöhnisch beobachtete. Sein Schweigen. Seine langen Abwesenheiten. Seine Weigerung, ihre Fragen zu beantworten. Was hatte er ihr alles verheimlicht? Sagte Akram die Wahrheit? Wenn ja, wie sollte sie damit leben?
„Ich hätte das Zimmer ausräumen lassen sollen.“ Zahir war hinter ihr aufgetaucht. „Aber ich bin oft hergekommen, um an dich zu denken.“
In Saffys Augen schimmerten Tränen. Langsam wandte sie sich um. „Wann? Nach der Scheidung? Ich glaube, du solltest anfangen, mir alles zu sagen, Zahir. Und ich schulde dir auch einige Erklärungen“, fügte sie leise hinzu.
„Mein Bruder Omar hat mich nach unserer Heirat gefragt, ob ich den Verstand verloren hätte, unseren Vater derart herauszufordern“,
Weitere Kostenlose Bücher