Julia Festival 94
Brautführer bin?“, fragte er vorwurfsvoll.
„Ich wollte ihn überraschen.“ Misty war sehr blass geworden. „Aber vielleicht hast du den Weg ganz umsonst gemacht, denn ich werde die Hochzeit womöglich absagen.“
„Jeder bekommt kalte Füße, wenn es so weit ist.“ Flash war nicht im Geringsten beeindruckt. „Du bist verrückt nach ihm …“
„Sag mir eins“, unterbrach Misty ihn. „Ganz ehrlich. Wenn du leichtsinnig mit einer Frau geschlafen hättest, und sie würde schwanger werden … Würdest du sie dann heiraten?“
„Um Himmels willen, nein!“ Flash schauderte bei der Vorstellung.
„Warum sollte Leone es dann tun?“
Ohne auf Flashs verstörtes Gesicht zu achten, ging Misty ins Haus. Aus der Küche drangen Birdies und Nancys Stimmen herüber, Leone wartete im Wohnzimmer. Als sie hereinkam, sprang er auf und zog sie in die Arme.
„Dio mio! Ich dachte, diese Woche würde niemals enden.“
„Leone, bitte …“ Misty wand sich aus seinen Armen. „Könnten wir in den Garten gehen? Ich möchte nicht, dass uns jemand hört.“
„Ich auch nicht, amore.“ Leone ging zur Terrassentür und schloss sie auf.
„Ich möchte die Hochzeit absagen.“
Leones Hand lag schon auf der Klinke, aber er hatte die Tür noch nicht geöffnet. „Wie bitte?“, fragte er und drehte sich halb um. „Was hast du gesagt?“
„Es tut mir leid, aber … ich kann dich nicht heiraten. Es wäre falsch für uns beide.“
Tödliche Stille folgte. Leone schien Mühe zu haben, Mistys Worte zu verstehen. Sein ganzes Gesicht drückte Fassungslosigkeit und Entsetzen aus.
„Lass uns nach draußen gehen, ehe jemand kommt“, drängte Misty, die Angst hatte, Birdie könnte hereinkommen und irgendeine Bemerkung über die Hochzeit machen, die gar nicht stattfinden würde.
„Si.“ Leone tastete geistesabwesend nach der Türklinke, die er eben noch in der Hand gehalten hatte.
„Das alles kommt sicher überraschend für dich, aber …“
„Überraschend? Dass du mich sitzen lässt?“
„Ich lasse dich nicht sitzen.“ Misty kämpfte mit den aufsteigenden Tränen, denn sie spürte, dass es jetzt kein Zurück mehr gab. „Ich versuche nur zu tun, was richtig und fair ist.“
„Accidenti!“ Wie immer, wenn Leone erregt war, trat sein sizilianischer Akzent stark hervor. „Rede mir nicht solchen Unsinn ein. Ich bin kein kleiner Junge!“
„Du heiratest mich nur, weil ich schwanger bin“, hielt Misty ihm erregt entgegen. „Eines Tages wirst du mich dafür hassen!“
Leone schien ihr gar nicht zuzuhören. Er stand nur da und sah sie an, als hätte sie ihm einen tödlichen Stoß versetzt. „Es ist Flash, nicht wahr?“, fragte er endlich mit rauer Stimme. „In vorletzter Stunde ist dir klar geworden, dass du ihn immer noch liebst.“
Misty geriet in immer größere Verwirrung. Leone reagierte viel emotionaler, als sie es bei einem so sicheren und selbstbewussten Mann erwartet hatte.
„Flash hat damit nichts zu tun …“
„Du wirst ihn überwinden, denn er liebt dich nicht. Kein Mann, der dich liebt, würde für einen andern den Brautführer spielen.“
Vom Flur her näherten sich Schritte. Misty stürzte zur Terrassentür, riss beide Flügel weit auf und taumelte nach draußen. Fast wäre sie über den Rasenmäher gestolpert, den jemand vergessen hatte, aber sie wich ihm rechtzeitig aus und blieb atemlos stehen.
Leone war ihr langsamer gefolgt. „Ich bin bereit zu warten, bis du dir über deine Gefühle klar geworden bist“, sagte er. „Deswegen brauchen wir die Hochzeit nicht abzusagen.“
„Leone, versteh mich doch!“, bat Misty verzweifelt. „Ich liebe Flash nicht und habe ihn nie geliebt. Er wollte einmal mehr von mir. Das belastete unsere Freundschaft, aber er kam darüber hinweg. Er ist für mich wie ein Bruder …“
„Warum dann?“ Leones Blick hing unverwandt an Mistys blassem, verstörtem Gesicht. „Warum hast du deine Meinung über die Hochzeit geändert?“
„Glaubst du wirklich, dass du in einer so überstürzt geschlossenen Ehe glücklich wirst?“, fragte sie. „Es ist meine Schuld, dass ich schwanger wurde. Du hast mir deswegen nicht den leisesten Vorwurf gemacht, aber du bist auch nur ein Mensch. Früher oder später würdest du es mir übel nehmen …“
„Nein!“, unterbrach Leone sie. „Das ist alles Unsinn. Und wir heiraten auch nicht überstürzt, sondern …“
„Wie kannst du das behaupten?“
„Weil …“ Leone zögerte, holte tief Atem und fuhr
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