Julia Festival 94
Jaspar die Schienen zusammenbaute, unterstützt von Basmun, der die Würde seines Herrn und Königs durch diese Arbeit gefährdet sah. Doch Jaspar amüsierte sich bestens dabei, und es rührte Freddy, wie zutraulich Ben alle Bewegungen seines Onkels nachahmte.
„Nein, da nicht“, sagte Jaspar einmal, erntete aber einen so enttäuschten Blick, dass er seufzend nachgab und Ben von da an gewähren ließ.
Es fiel Freddy nicht schwer, die Familienähnlichkeit zwischen Onkel und Neffen zu erkennen. Ben würde einmal dieselbe Nase haben. Auch die Augen glichen sich – mehr in der Farbe als im Ausdruck –, und als Mann würde Jaspar das entscheidende Vorbild für den Jungen sein.
Eine wehmütige Stimmung überkam Freddy. Das Schicksal hatte sie und Jaspar auf verschiedene Seiten gestellt, aber es gab vieles, was sie an ihm bewunderte. Seine Intelligenz, seine Energie, seine Aufrichtigkeit und Treue gegenüber seiner Familie und nicht zuletzt sein starkes Verantwortungsgefühl, das ihn veranlasst hatte, seine persönlichen Interessen denen eines kleinen Jungen zu opfern. Nur eins bezweifelte Freddy – dass er sie geheiratet hätte, wenn ihm die Größe und die Reichweite seines Opfers klar gewesen wären.
Wieder einmal meldete sich Freddys Gewissen. Sie hatte Jaspar darum gebracht, sich seine zukünftige Frau frei wählen zu können. Sie hatte Schicksal gespielt und nicht bedacht, dass das Folgen haben musste. Gerade jetzt, da sie nahe daran war, sich in Jaspar Al-Husayn zu verlieben, musste sie erkennen, dass sie in ihre eigene Falle geraten war. Niemals würde sie glauben können, dass sie um ihrer selbst willen geliebt oder begehrt wurde oder dass Jaspars Wahl freiwillig auf sie gefallen war. Die engen Schranken einer Ehe ohne Liebe, die sie ihm und sich selbst leichtfertig aufgezwungen hatte, würden sie ihr Leben lang behindern.
Ben fuhr einige Male auf der Lokomotive durch den Salon und schlief dann im Sitzen ein. Jaspar trug ihn nach oben und sah zu, wie Freddy ihn für die Nacht zudeckte.
„Hast du auch hier geschlafen?“, fragte er und wies auf das wenig verführerische Nachthemd, das auf dem zweiten Bett lag.
Freddy wartete mit der Antwort, bis sie draußen auf dem Korridor standen. „Allerdings.“
„Warum hast du nicht auf das gehört, was ich vor meiner Abreise gesagt habe?“ Ärger und Ungeduld klangen aus Jaspars Stimme. „Du kannst Benedicts Zimmer nicht länger teilen. Ich habe Basmun bereits angewiesen, eine Kinderfrau zu suchen …“
„Das ist absolut überflüssig“, unterbrach Freddy ihn.
„Im Gegenteil, es ist sehr notwendig. Benedict soll Arabisch und Englisch lernen, und du wirst nicht immer Zeit haben, dich um ihn zu kümmern.“ Jaspar sah Freddy prüfend an. „Muss ich dir wirklich sagen, dass eine verheiratete Frau das Bett ihres Mannes teilt?“
„Ich habe in Bens Zimmer geschlafen, um ihm ein heimatliches Gefühl zu geben“, verteidigte sich Freddy.
„Hast du das in London auch getan?“
„Manchmal.“
„Bis die Kinderfrau gefunden ist, kann eine Dienerin in Benedicts Zimmer schlafen“, entschied Jaspar. „Und jetzt entschuldige mich. Ich möchte vor dem Dinner noch duschen.“
„Du lieber Himmel!“, platzte Freddy heraus. „Nach deiner Abreise wusste ich nicht einmal, wo ich laut Palastprotokoll schlafen sollte!“
Jaspar ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Jetzt weißt du es“, sagte er nur und wollte gehen.
Freddy war inzwischen so aufgebracht, dass sie ihm folgte. „Ich muss mich erst daran gewöhnen, dass wir wirklich verheiratet sind.“
„Das überrascht mich. Ich habe mich schon an unserem Hochzeitstag außerordentlich verheiratet gefühlt.“
„Dein Sarkasmus ist völlig unangebracht.“
„Meinst du?“
Freddy war Jaspar bis ins Schlafzimmer gefolgt. Er schloss die Tür, zog Freddy unvermittelt in die Arme und küsste sie heftig und leidenschaftlich.
Es dauerte nur einen Augenblick, bis sich Freddys Widerstand in Nachgiebigkeit verwandelte. Sie beugte den Kopf zurück und öffnete die Lippen, um Jaspar zu ermuntern. Er stöhnte auf, dann hob er sie hoch und trug sie zum Bett, wo er sie behutsam niederlegte.
„Keine Sorge, meine Schöne“, flüsterte er und sah teils verlangend und teils belustigt auf sie hinunter. „Auch eine Dusche und ein Viergängemenü werden mich nicht abkühlen.“
Freddy sah ihm benommen in die dunklen Augen. Sie fühlte sich ernüchtert und schämte sich, dass sie es Jaspar so leicht gemacht
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